Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

5 72 (Nr. 1—2). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 247 
2. wenn er seinen Dienst während einer den Umständen nach erheb- 
lichen Zeit unbefugt verläßt oder sich beharrlich weigert, seinen 
Dienstverpflichtungen nachzukommen; 
3. wenn er durch anhaltende Krankheit, durch eine längere Freiheits- 
strafe oder Abwesenheit oder durch eine die Zeit von acht Wochen 
übersteigende militärische Dienstleistung an der Verrichtung seiner 
Dienste verhindert wird; 
4. wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen 
den Prinzipal oder dessen Vertreter zuschulden kommen läßt. 
Erfolgt die Kündigung, weil der Handlungsgehilfe durch unver- 
schuldetes Unglück längere Zeit an der Verrichtung seiner Dienste verhindert 
ist, so wird dadurch der im § 63 bezeichnete Anspruch des Gehilfen nicht 
berührt. 
Entw. 1 § 65, II § 71; Denkschr. 1 S. 63, II S. 3170; Komm. Ber. S. 3886; 
Stenogr. Ber. S. 4559, 4594, 5522 f.; A. D. H.G.B. Art. 64. 
Die hier aufgezählten Entlassungsgründe sind wiederum nur exemplifikativ Nr. 1. 
(R.O. H. G. IV S. 402) und den Richter nicht schlechthin bindend. Es gilt auch 
hier, daß besondere Umstände eine Ausnahme begründen können, z. B. wenn der 
Gehilfe provoziert wurde (Bolze XIII Nr. 393, XVII Nr. 417, vgl. O. L.G. Dresden 
in O. L. G. Rspr. III S. 78) oder wenn er zur Ubertretung des Konkurrenzverbotes durch 
eine Person veranlaßt wurde, von der er annehmen durfte, sie habe die Vollmacht, 
ihm dies zu gestatten (O.L.G. Kolmar in O.L.G. Rspr. IX S. 248), oder wenn 
(bei Gehorsamsverweigerung) die Befehle der mehreren Vorgesetzten sich widersprachen. 
Dagegen wäre das Aufdieprobestellen seitens des Prinzipals noch nicht unter 
allen Umständen ein Ausnahmegrund. 
1. Verletzung der Treuverpflichtung. Das Gesetz hebt drei Fälle besonders Nr. 2. 
hervor: Untreue im Dienste, Vertrauensmißbrauch, Konkurrenzbetrieb, 
wobei der erste Fall im Grunde auch die beiden anderen umfaßt. — Der Begriff des 
Konkurrenzbetriebes ist durch § 60 gegeben. Erhebliche Börsenspekulationen 
des Gehilfen fallen danach nicht notwendig darunter, können aber einen besonderen 
Entlassungsgrund bilden, weil das Vertrauen des Prinzipals zum Gehilfen dadurch 
erschüttert wird. — Vertrauensmißbrauch beziett, sich in erster Linie auf Verrat 
von zescheegeemasen (vgl. U. W. G. §# 17) itteilung von Depeschen oder 
Briefen, die geheim . alten werden sollen, an Oritte, Verrat der Kundschaft, Ver- 
breitung von Nachrichten über ungünstige Vermögensverhältnisse des Prinzipals, 
(Seuffert XXXXVIII S. 169 ff., Bolze III Nr. 659, R.G. im Recht 07 S.316 Nr. 648, 
S. 1136 Nr. 2729), dies selbst dann, wenn die Interessen des Gehilfen oder seiner Ver- 
wandten berührt werden, ferner Anfertigung von Buchauszügen für Dritte oder behufs 
Benutzung in einen selbst Feplanten Konkurrenzbetrieb,Holdheim VIS.347), während 
die Anfertigung bloßer privater Notizen über Kundschaft, Einkaufspreis u. dergl. noch 
kein Vertauensmißbrauch ist (L.G. Frankfurt in Z. XXXIV S.574). Auch unerlaubtes 
Eröffnen von Privatbriefen des Chefs fält darunter (vgl. den Fall in Busch XXI 
S. 349), ferner Führung eines falschen Namens durch den Gehilfen (L.G. 1 Berlin 
bei Kaufmann V E. 55). Der Vertrauensmißbrauch außerhalb des Dienstes, z. B. 
indem der Gehilfe ihm mit Bezug auf die Familie des Prinzipals anvertraute Ge- 
heimnisse ausplaudert, kann einen selbständigen Grund abgeben. — Untreue im 
Dienste: darunter fällt jedes Verhalten, welches im Widerspruch mit der durch 
den Dienstvertrag Übernommenen Verpflichtung steht, mit Treue und Redlichkeit 
im Vermögensinteresse des Prinzipals tätig zu sein, auch ohne daß der strafrecht- 
liche Begriff der Untreue konsumiert ist (O. L. G. Cassel in Z. XILII S. 517, O.L.G. 
Bamberg in O.L.G. Rspr. V S. 268), folglich jede unredliche Manipulation, durch 
welche der Handlungsgehilfe auf Kosten des Prinzipals sich zu bereichern (z. B. der 
Handlungsreisende ein größere Provision zu erzielen) sucht. Beispiele: Aufgabe er-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.