Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

Nr. 3. 
248 I. Buch. Handelsstand. 5 72 (Nr. 2—3). 
dichteter Bestellungen — O.L.G. Dresden in O.L.G. Rspr. III S. 78 — wissentlich 
alsche Angabe erstatteter Besuche von Kunden, auch heimliches Ausbedingen einer 
ovision vom Gegenkontrahenten (R.O. H. G. XIII S. 184, R. G. in L. Z. 08 S. 595), 
Empfang von „Schmiergeldern“ (vgl. Apt 1 S. 18, dazu U. W.G. 8 12), Entnahme 
von Waren vom Prinzipal zum angeblichen Zweck der Verwendung zu Hochzeits- 
geschenken und deshalb nach vertraglicher Zusage zu billigerem Preise in Wahrheit 
zur eigenen Spekulation (R.G. in L. Z. 09 S. 473 = Warneyer 1909 Nr. 229). 
ahin würde auch Weigerung, die vereinnahmten Gelder herauszugeben, unter 
Aufmachung einer Gegenrechunng für künftig fälliges Salair gehören (vgl. auch 
R.O. H.G. IV S. 398, Z. VIII S. 164). Unter Untreue fällt auch jede unredliche 
Handlung, durch die der Gehilfe begangene Fehler und Nachlässigkeiten zu verdecken 
sucht, (vgl. R. G. im Recht 08 Nr. 607) dagegen nicht bloße Näschereien 9 
Bautzen in Z. XXXX S. 454), auch nicht bloße Überschreitung der zur Reise 
bewilligten Kosten (Adler-Clemens Nr. 1337, zur Kasuistik Behrend § 46 S. 333 
und Horrwitz S. 135ff.). Auch Anstiftung anderer zur Untreue oder sonstigen 
Vertragswidrigkeiten, ja unter Umständen sogar Beredung zur Aufgabe der Stellung 
fällt darunter (vgl. O. L. G. Dresden in O.L.G. Rspr. VI S. 4, wo sich die Angestellten 
verbanden, um ungebührliche Sorderungen zu erheben). Selbstverständlich gehören 
dahin Vermögensschädigungen durch Diebstahl, Unterschlagungen, Betrug, vorsätz- 
liche Sachbeschädigung. Doch ist der Gesichtspunkt der Vermögensschädigung nicht 
der ausschlaggebende R.G. in J. W. 09 S. 1139). Dagegen nicht bloßer Ungehorsam 
und unehrerbietiges Benehmen (darüber bei Nr. 3). Wann der Fall der Untreue 
gegeben ist, ist Tatfrage. Der allgemeine Satz, daß „verdächtiges, das Vertrauen 
es Prinzipals erschütterndes Benehmen des Handlungsgehilfen, auch ohne daß sich 
Untreue positiv beweisen läßt“ unter § 72 Nr. 1 fällt (Behrend a. a. O.) geht zu 
weit, vgl. auch Staub.- Bondi 5 72 Anm. 2). Andererseits wird hier häufig ein 
Fall der contumacia vorliegen (unter Nr. 3). Vgl. z. B. O.L.G. Braunschweig in 
Braunschweig. Z. LI S. 116. Oder es wird der Gesichtspunkt der Kulpakompensation 
Platz greifen (B.G.B. § 254). Grob kulpose Ausführung von Dienstverrichtungen 
fällt nicht unter den Begriff der Untreue, kann aber einen selbständigen Entlassungs- 
grund abgeben. 
2. Verletzung der Gehorsamsverpflichtung (Contumacia). Das Gesetz hebt 
auch hier nur zwei Fälle hervor: Unbefugtes Verlassen des Dienstes für eine 
erhebliche Zeit und beharrliche Weigerung zur Erfüllung der Dienstver- 
pflichtun 1. Es ergibt sich, daß nicht jede geringfügige Kontumaz, z. B. kleine Unpünkt- 
lichkeit, noch eine einmaligemomzentane Auftehnung gegenden Hrinzipalgenigt sondern, 
daß entweder fortgesegee Unpünktlichkeit (O.L. G. Köln in O. L.G. Rspr. XII S. 417 
Anm. 2), bez. ein beharrlicher, d. h. sich entweder in längerem ununterbrochenem 
Auflehnungszustande oder in widerholten Au ehnungstätigleiten äußernder Trotz 
notwendig ist (O.L. G. Bamberg in O. L.G. Rspr. V S. 268) oder daß die einzelne 
Unpünktlichkeit, bez. Auflehnung durch die besonderen Umstände zu einer schweren 
wird, z. B. wenn der neu engagierte Gehilfe gleich am ersten Tage zwei Stunden 
p spät erscheint (vgl. L. ZJ. 07 S. 302) oder wenn der mit der alleinigen Obhut des 
adens betraute Angestellte den Laden auf eine Stunde verläßt (O.L.G. Frankfurt 
im Recht 07 S. 1272 Nr. 3203) oder wenn es sich um eine besonders lebhafte Geschäfts- 
eit handelt Staub-Bondi Anm. 4). Im übrigen kann sich die Verletzung der Ge- 
E ausprägen in Fortbleiben aus dem Dienst, zu spätem Kommen, zu 
frühem Gehen, Nichtleisten der aufgetragenen Arbeit oder schlechter Verrichtung der- 
selben, spezieller Nichterfüllung der erteilten Orders (R.G. in L. Z. 1914 S. 579), Er- 
teilung von Kontreorders (vgl. 3. XXXX S. 458), Unterlassung obliegender Anzeigen 
(R. O. H. G. IV Nr. 82, O. L.G. Hamm in O.-.G. Rspr. XVI S. 86). Was „beharrlich“ 
ist, läßt sih nur nach Lage des Falles entscheiden. So ist als erhebliche Zeit der un- 
befugten Verlassung des Dienstes unter Umständen bereits ein Tag oder gar eine 
Stunde erachtet worden (Busch XXX S. 160). — Das Verhalten des Gehilfen 
muß ein vertra Swidriges sein, deshalb müssen die verweigerten Dienste solche 
sein, die dem Gehifen obliegen, ihm zu Unrecht aufgebürdete Dienste kann er ab- 
ehnen. Ebenso muß das Verlassen des Dienstes ein unbefugtes sein, ein befugtes 
ist es dann, wenn es mit Einwilligung des Prinzipals erfolgt, ferner wenn der 
Handlungsgehilfe durch Krankheit, auch verschuldete, verhindert ist, zum Dienst zu 
erscheinen, auch Krankheit naher Angehöriger, wichtige Familienfeste z. B. silbernd 
 
	        
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