Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

8 74a (Nr. 1 -38). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 263 
Aufrechterhaltung besitze. Auch Entw. I der Novelle erklärte bereits in § 74 a Abf. 1 
die Vereinbarung für insoweit unverbindlich „als die Beschränkung . . im Ver- 
hältnis zu dem berechtigten geschäftlichen Interesse des Prinzipass eine 
unbillige Erschwerung. des Fortkommens des Gehilfen enthält“, womit nach der 
Begründung nichts Neues engepeefrt sondern nur der schon nach dem geltenden 
Rechte bestehende Grundsatz im Gesetze selbst zum Ausdruck" gebracht werden sollte. 
In den Verhandlungen des Reichstages spielte gerade dieser Gesichtspunkt eine 
besondere Rolle. Im Plenum wurde von einem Teil der Abgeordneten das Vor- 
handensein eines schutzbedürftigen Interesses des Prinzipals überhaupt geleugnet. 
ndere wollten nach dem Vorbild der Schweiz die Fälle des schutzbedürftigen 
Interesses genau umgrenzen auf den Schutz der Geschäfts- und Btriebsgeheimn se, 
welche Abgrenzung aber von Dritten für schwierig oder gar unmöglich erklärt wurde. 
In der Kommission wurden mehrfache Anträge gestellt, die bezweckten, den Begriff 
des berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals schärfer zu formulieren. 
Man wollte das Fneresfe entweder auf den Schutz wirklicher Geschäfts- und Be- 
triebsgeheimnisse oder weitergehend den Schutz wirtschaftlicher Werte, „die zum wohl- 
erworbenen Besitzstande gerade dieses Geschäftes gehörten“ beschränken oder man 
wollte nur solche Handlungsgehilfen, die eine leitende Stellung (als Geschäfts- 
führer, Betriebs-., Filial-, Abteilungsleiter) besäßen, oder als Reisende tätig seien, 
oder sonst Einblicke in wesentliche Geschäfts= oder Betriebsgeheimnisse erhielten, 
dem Verbot unterstellen. Doch stießen alle diese Versuche auf Widerspruch. Den 
Personenkreis abzugrenzen sei technisch unmöglich und eine Generalklausel, welche 
den Kreis der schutzberechtigten Interessen zu umschreiben suche, lege doch alles in 
das richterliche Ermessen und schaffe neue schwierige Begriffe. Dennoch entschied 
sich die Kommissionsmehrheit in erster Lefung für die Formulierung: „Ein Wett- 
bewerbverbot ist nur zulässig zum Schutze eines wichtigen geschäftlichen #bereffes 
des Prinzipals gegen Verwertung wesentlicher Geschäfts-= und Betriebsgeheimnisse, 
sofern der Handlungsgehilfe während seiner Beschäftigung Einblick in solche hat". 
Entw. II der Regierungsvorla e beharrte bei der allgemeinen Formulierung, trug 
aber der Wichtigkeit des Punktes insofern mehr Rechnung, als er an die Spitze 
des § 74 a den jetzigen Satz des Gesetzes stellte. In zweiter Lesung akzeptierte die 
Kommission die Fassung von Entw. II, die dann vom Reichstag angenommen wurde. 
Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist zunächst zweifellos, daß der Nr. 2. 
Nachweis eines berechtigten geschäftlichen Interesses nicht vom Prinzipal 
zu führen, sondern daß der Gehile seinerseits sich auf die Unverbindlichkeit zu be- 
rufen und erforderlichenfalls den Beweis des fehlenden berechtigten geschäftlichen 
Interesses zu führen hat. Dies wurde auch im Plenum des NWichstagss anerkannt 
(Sten. Ber. S. 8428, 8441). 5 74a stellt gegenüber § 74 die Ausnahmefälle auf, 
Fur v° Vochandenfein Derjenige, der sich auf die Verbindlichkeit beruft, beweis- 
pflichtig ist. 
Der Beweis kann dahin geführt werden, daß überhaupt kein berechtigtes 
geschäftliches Interesse des Prinzipals vorhanden sei, z. B. der Prinzipal seine 
ranche inzwischen so geändert habe, daß eine Störung geschäftlicher Beziehungen 
durch die Tätigkeit des Gehilfen völlig ausgeschlossen sei — oder er kann sich darauf 
richten, daß der Inhalt des Wettbewerbverbotes über das berechtigte geschäftliche 
Interesse hinausgehe, z. B. daß dieses örtlich nur ein beschränkteres Verbot recht- 
fertige, weil die Art der Artikel oder des Gewerbebetriebes des Prinzipals Über 
gewisse Grenzen hinaus den Betrieb nicht erstrecke. Der Gehilfe wird seine Behaup- 
tungen zu substanzieren und — soweit — nicht allgemeine Erfahrungsgrundsätze 
sie rechtfertigen — zu erweisen haben. Eine Aufdeckung der geschäftlichen Vehältuiste 
des Prinzipals wird dabei u. U. nicht zu vermeiden sein. Die §s 45, 46 H.G.B. 
werden hier zur Anwendung gelangen. 
Der Zeitpunkt, nach dem sich das berechtigte geschäftliche Interesse Nr. 3. 
des Prinzipals richtet, ist nicht etwa der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Denn 
es ist sehr wohl denkbar, daß einerseits der Prinzipal brabsichtig seinen Betrieb 
demnächst zu erweitern und die Vereinbarung auf die Realisierung dieser Absicht 
zuschneidet (vgl. R.G. in J. W. 1900 S. 826, Warneyer 1913 Nr. 274, J.W. 09 
S. 71 Holdheim 08 S. 304), daß andererseits er vor der Beendigung des Dienst- 
verhältnisses den Betrieb auf den die Vereinbarung zugeschnitten ist, einengt oder 
aufgibt. Vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die Wettbewerbklausel 
 
	        
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