Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

5 76 (Nr. 2—3). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 283 
Lehrvertrages nicht. Jedenfalls ist, wo der Prinzipal dem Volontär gegenüber eine 
Ausbildungspflicht übermommen hat, § 76 Abs. 2, entsprechend anzuwenden, während 
die Anwendung von Abs. 3 wohl meist ausgeschlossen sein wird. — Ob der Lehrvertrag 
unter den Begriff des Dienst- oder Werkvertrages fällt oder eine besondere Kate- 
gorie von Verträgen (Innominatkontrakte) darstellt, ist in der — nicht unbestritten. 
Jedenfalls ist nach der systematischen Stellung, die das Gesetz ihm anweist, sowie 
nach der Anwendung von Sätzen über den Engagementsvertrag auf ihn die analoge 
Anwendung der Grundsätze über den Dienstvertrag geboten, wenn auch das B.G. B. 
5 1822 Lehr- und Dienstvertrag scheidet. Dabei ist als Dienstverpflichteter nicht der 
Lehrherr, wie Ferno, Beitrag zur Darstellung des kaufm. Lehrvertrages Diss. 04 
S. 36 verkehrt annimmt, sondern der Lehrling anzusehen. 
3. Der Abschluß des Lehrvertrages mit dem Lehrherrn geschieht gewöhnlich Nr. 3. 
nicht durch den Lehrling selbst, 1) sondern durch den gesetzlichen Vertreter (Eltern- 
teil, Vormund)) desselben, möglicherweise auch durch einen Dritten. Der Vater als 
gesetzlicher Vertreter bedarf nicht der Genehmigung der Obervormundschaft (B.G. B. 
5 1643 Abs. 1), der Vormund bedarf solcher, wenn der Lehrvertrag für längere 
Zeit als ein Jahr geschlossen wird (B.G.B. 5 1822 Nr. 6), vor der Entscheidung 
über die Genehmigung soll der Mündel gehört werden (B.G.B. § 1827 Abf. 1). 
Die Mutter, der die elterliche Gewalt zusteht, bedarf diesenfalls der Genehmigung 
des etwa bestellten Beistandes. Der Hinzuziehung des Lehrlings zum Vertrage 
bedarf es nicht. Vater oder Vormund können übrigens auch sich selbst als Lehr- 
herrn verpflichten, welchenfalls für den Abschluß ein besonderer Pfleger zu bestellen 
ist. Doch wird zwischen Eltern und Kindern meist kein Lehrvertrag geschlossen 
werden, sondern der Fall des B.G.B. 8§ 1617 vorliegen. 
Schließt der gesetzliche Vertreter den Vertrag im Namen des Lehrlings ab, 
so treten die gewöhnlichen rechtlichen Folgen ein; dasselbe gilt, wenn er den vom 
Lehrling geschlossenen Vertrag genehmigt. Doch ist der Inhaber der elterlichen 
Gewalt, auch wenn er nur in Vertretung des Sohnes den Lehrvertrag schließt, doch 
gehalten, vermöge der ihm über den Sohn zustehenden Gewalt dem Lehrherrn in 
der Durchführung der Ansprüche aus dem Vertrage behilflich zu sein (R.O. H.G. 
XIII Nr. 37). Andererseits muß der Lehrherr den Elternteil vom üblen Betragen 
des Lehrlings in Kenntnis setzen, um ihm die Möglichkeit der Einwirkung auf den 
jungen Menschen zu geben. ünlerläßt er dies, so kann er Schadensersatzansprüche 
gegen den vom Benehmen des Lehrlings nicht unterrichteten Elternteil nicht 
erheben (Seuffert XXX Nr. 75). — Anders, wenn der gelebliche Vertreter den 
Vertrag in eigenem Namen schließt. Hier ist er als Selbstkontrahent anzusehen. 
Praktisch wird dieser Fall zumal beim Inhaber der elterlichen Gewalt. Da diesem 
Erziehungs und Unterhaltungspflicht obliegt und andererseits am Vermögen des 
Kindes Rechte zustehen, so nimmt er beim Abschluß regelmäßig zugleich ein eigenes 
Interesse wahr. Auch dem Interesse des Lehrherrn entspricht es, einen selbständigen 
Hegenkontrahenten zu haben (vgl. Behrend § 47 S. 335, R.O. H. G. 1 Nr. 6, 
1I Nr. 31, VII Nr. 73, IX Nr. 84, X Nr. 47, XIII Nr. 37, XIV Nr. 6, O.L.G. 
Darmstadt bei Seuffert LXI Nr. 139, O. L.G. Naumburg ebenda LXII Nr. 1). — 
Schließt ein Dritter ohne Vertretungsbefugnis den Vertrag mit dem Lehr- 
herrn ab, so ist er selbstverständlich als Selbstkontrahent zu betrachten. Diesenfalls 
bedarf es der Genehmigung der Obervormundschaft überhaupt nicht. 
Der als Selbstkontrahent Auftretende übernimmt im Zweifel die Garantie 
für Innehaltung des Lehrvertrages durch den Lehrling, steht also für den aus Ver- 
tragsbruch dem Lehrherrn entstehenden Schaden ein, aber im Zweifel nicht weiter, 
als der Lehrling selbst einstehen würde, wenn er den Vertrag selbst geschlossen hätte 
(ogl. jedoch § 79 Nr. 2) und auch nur insoweit, als der Lehrherr selbst die Grenzen 
des Lehrvertrages innehält (vgl. z. B. Seuffert XXVIII S. 49), dann also nicht, 
wenn dem Lehrling ungehörige Funktionen übertragen werden oder wenn der Lehr- 
herr sich sonstige Uberschreitungen erlaubt, die der Vater als Inhaber des Erziehungs- 
rechts nicht dulden kann (O. L.G. München in O. L.G. Rspr. XIX S. 303). 
  
1) Durch den Lehrling kann er geschehen, wenn dieser volljährig ist. Ist der 
Lehrling (wie überwiegend) minderjährig, so kann er nicht generell ermächtigt 
werden, den Lehrvertrag abzuschließen la. A. Gordan S. 18, Ritter Anm. 2).
	        
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