Erstes Buch.
Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes.
Erstes Kapitel.
Begriff des Staates.
(Einleitung 8. 116— 123.)
87.
Verfahren bei der Bildung des Staatsbegriffes.
Die Zahl der Staatsdefinitionen ıst unübersehbar. Fast jeder
Schriftsteller über den Staat hat seine eigene, mehr oder minder orl-
ginelle. Die Philosophen wollten den Staat als einen reinen Ver-
nunftbegriff a priori konstruiren, wobei der konkrete Staat, als vetwas
rein äusserlich Formelles, die Idee des Staates gar nichts angehen
sollte«. Der Staat aber ist eine geschichtliche Erscheinung, welche
auch nur geschichtlich begriffen werden kann. Nur aus der Eırfalı-
rung, nur aus der Fülle. und Mannigfaltigkeit der Staatengeschichte
kann der begriff des Staates gewonnen werden. Aus der Universal-
geschichte des Staates haben wir, mit Hinweglassung alles blos Zu-
fälligen, die Merkmale zu abstrahiren, welche als die wesentlich
konstitutiven des Staatsbegriffes zu betrachten sind. Bei diesem nur
geschichtlich zu gewinnenden Staatsbegriffe lässt sich nicht ver-
kennen, dass er, selbst sim Flusse der Zeiten« stehend, nicht für alle
Zeiten ein gleichbleibender sein kann. Uns gilt es, vom Stand-
punkte der gegenwärtigen Gesittung aus, den Staatsbegriff zu be-
stimmen. Dabei muss hier das juristische Element in den Vorder-
grund treten. Den Staatsphilosophen, den Kulturhistoriker, den
Politiker mögen am Staate andere Momente interessiren. Für das
Staatsrecht kommt nur das juristisch Relevante in Betracht. Dar-
nach sind folgende Merkmale hervorzuheben: