Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

18 I. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
Inbegriff von Normen, durch welche das rechtliche Verhältniss der 
Obrigkeit zu den Unterthanen festgestellt und die Ausübung der 
Staatsgewalt geregelt wird. Ohne Verfassung ist kein Staat denk- 
bar, wenn dieselbe auch noch so roh und unentwickelt sein sollte. 
Nur darf man dabei nicht an eine geschriebene Verfassungsur- 
kunde, oder eine besondere Verfassungsform, etwa die Repräsen- 
tativverfassung, denken. 
13. 
6) Der Staatszweck. Eins 125—13S.) 
Eine wissenschaftliche Definition des Staates bedarf der An- 
gabe des Staatszweckes. So bedeutsam es ist, dass der Staat als 
Persönlichkeit, d. h. als willensfähiges Subjekt, gefasst wird, so ist 
dies doch immer nur die formale Seite des Begriffes. Es kommt 
darauf an, diesem Wollen auch seinen materiellen Inhalt zu be- 
stimmen. In dieser Beziehung stellt das Staatsrecht den Satz auf, 
dass der Träger der Staatsgewalt nur dann staatsgemäss handelt. 
wenn er sich nicht Privatzwecke privilegirter Klassen und einzelner 
Individuen, sondern die Gemeinzwecke der Nation zur Auf- 
gabe stellt. Insofern ist die Bestimmung des Staatszweckes ein 
nothwendiges Moment im Begriffe des zum Selbstbewusstsein er- 
wachten Staates. Die Lehre vom Staatszwecke, die sog. politische 
Teleologie, ist zu einem ebenso umfangreichen, als bestrittenen 
Kapitel der Staatslehre herangewachsen. Vom staatsrechtlichen 
Standpunkte genügt folgende kurze Andeutung. 
Der Staat ist keineswegs erst der Schöpfer alles Rechtes. Auch 
ausserhalb des Staates besteht Recht, wie schon das Dasein des 
Völkerrechts beweist. Aber das ausserstaatliche Recht ist vielfach 
schwankend in seinen Bestimmungen, weil es an einer gesetzgeben- 
den Gewalt, unsicher in seiner Verwirklichung, weil es an einem 
Richter und einer zwingenden Executive fehlt. Darum stellen die 
im Staate vereinigten Menschen als erstes Postulat an den Staat: 
Sicherung und Verwirklichung des Rechtsschutzes. 
Die mit alles bezwingender Macht ausgerüstete Staatsgewalt ist 
allein im Stande, solchen wirksam zugewähren. Hierauf beschränkte 
sich auch der Staat des Mittelalters. Neben der Vertheidigung nach 
aussen gegen andere Staaten ist der Rechtsschutz im Innern seine 
einzige Aufgabe. Aber je mehr die Menschen in der Kulturent- 
wickelung fortschreiten, um so mehr empfinden sie, dass die mit 
der stärksten Macht ausgerüstete Staatsgewalt allein geeignet und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.