Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

28 I. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
fassungsurkunde sind sie nicht nur für die Verwaltung, sondern 
auch für die gewöhnliche Gesetzgebung wunantastbar. Nur durch 
verfassungsändernde Gesetze können diese Schranken beseitigt wer- 
den. Ebenso bilden die sog. wohlerworbenen Rechte eime 
Schranke für die Staatsgewalt, freilich ebenfalls nur von relativer 
Bedeutung. Wenn ein Gesetz, ohne zwingende Gründe des öffent- 
lichen Wohles und ohne volle Entschädigung des Berechtigten. ein 
wohlerworbenes Recht aufhebt, so ist dies entschieden eine Rechts- 
verletzung, welche das Rechtsbewusstsein verurtheilt gegen 
welche aber dem Verletzten in der Regel ein Rechtsmittel nicht 
zusteht. Die Staatsgewalt solcher Staaten. welche einem grösseren 
Staatensysteme angehören. kann in der höhern Ordnung des letztern 
sehr weitgehende Schranken finden. So war die Staatsgewalt der 
deutschen Einzelstaaten vielfach schon durch die Grundrerträge 
des deutschen Bundes beschränkt. noch mehr ist dies jetzt der Fall 
durch die Reichsverfassung und durch die Reichsgesetze. 
$ 18. 
Verschiedene Funktionen der Staatsgewalt. 
Ein], 8. 174—181. 
Der Staat, als einheitliche Persönlichkeit, kann auch nur einen 
einheitlichen Willen haben. Darum ist Einheit und Untheilbarkeit 
eine wesentliche Eigenschaft der Staatsgewalt. Es ist ein Wider- 
spruch, mehrere selbständige Staatsgewalten »pouvoirs« anzu- 
nehmen. Bei der reichen, mannigfachen Wirksamkeit der Staats- 
gewalt ist es indessen ein wissenschaftliches Bedürfniss. verschiedene 
Funktionen der Staatsthätigkeit zu unterscheiden. Vom Standpunkte 
der übrigen Staatswissenschaften aus mögen sich speziellere Ein- 
theilungen nach den zahlreichen Gegenständen der Staatsthä- 
tigkeit rechtfertigen. vom juristischen Standpunkt begnügt sich das 
Staatsrecht mit der Dreitheilung. der alten trias politica. wel- 
cher die neuere Wissenschaft einen tiefern Inhalt gegeben hat. 
indem sie nicht die äussere Form. sondern den innern Gehalt 
der Staatsthätigkeit zum Eintheilungsgrund nimmt. Darnach unter- 
scheiden wir drei innerlich verschiedene Funktionen der Staats- 
gewalt: 
1) der Staat giebt Gesetze. d.h. er begründet und ändert 
staatliche Institutionen und setzt allgemein verbindliche Rechts- 
grundsätze fest. Aufgabe der Gesetzgebung ist, das Recht gesetz- 
lich zu bestimmen. Der Staat ist nicht alleiniger Schöpfer von
	        
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