Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

vı VORWORT. 
unmittelbar aus gemeinrechtlichen Quellen von absolut bindender 
Kraft konstruirt. Die Darlegung ist hier durchweg auf unmittel- 
bar geltendes, imperatives Recht gerichtet, während das deutsche 
Landesstaatsrecht grossentheils aus partikularrechtlichen Quellen 
schöpfen muss und in vielen seiner Sätze, ähnlich wie das deutsche 
Privatrecht, nur ein Recht der Wissenschaft geben kann, welches 
freilich für das Verständniss der Partikularrechte unentbehrlich 
ist, ja für die Ausfüllung der Lücken in denselben von grosser 
praktischer Bedeutung werden kann. Aus diesen Erwägungen 
habe ich dem Reichsstaatsrechte und dem Landesstaatsrechte eine 
gesonderte selbständige Stellung im Systeme angewiesen. 
Streitig kann es nur sein, welchem von beiden Theilen die 
erste Stelle im Systeme gebührt. Sachlich gewiss dem Reichs- 
staatsrechte. Das Reich ist der souveräne Oberstaat, welchem 
alle Einzelstaaten als Glieder eingefügt sind, dessen Ordnungen 
und Gesetze unbedingt über denen der Einzelstaaten stehlen. Me- 
thodisch liegt die Sache aber anders, wo es sich um die Frage 
handelt, wie dem Leser und Hörer am leichtesten und sichersten 
das Eindringen in den Geist unserer staatlichen Institutionen er- 
schlossen werden kann. Hier hat mich langjährige Erfahrung 
zu der Ansicht geführt, dass die Vorausstellung des Landes- 
staatsrechtes das Zweckmässigere ist. Die Einzelstaaten sind 
älter als das Reich; ihr Staatsrecht ausgebildeter und vollstän- 
diger, sodass daran die allgemeinen staatsrechtlichen Begriffe besser 
entwickelt werden können, als an den noch so jungen Gestaltungen 
des Reichsstaatsrechtes. Ist die Lehre von der Gesetzgebung, von 
der Justiz, der Polizei u. s. w. im Landesstaatsrechte genügend 
entwickelt, so kann man im Reichsstaatsrechte einfach auf diese 
vorhergegangene Entwickelung verweisen und braucht nur das 
Eigenthümliche und Abweichende hervorzuheben, welches im 
Reichsstaatsrechte vorkommt. Seit Jahren habe ich diese Metliode 
in meinen Vorträgen befolgt und sie bewährt gefunden, wenn sie 
auch hier und da zu einer Wiederholung nöthigt. 
Gern würde ich mit dem fertigen Systeme vor das wissenschaft- 
liche Publikum getreten sein und hätte dann ruhiger dem Urtheile 
desselben entgegengeschen. Aber ich lege Werth darauf, schon 
beim Beginne des nächsten Semesters wenigstens den allgemeinen
	        
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