Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

50 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
Kaiserkrone eine kosmopolitische mit ideellen Ansprüchen, die 
nur selten verwirklicht werden konnten. Für das Staatsrecht kommt 
daher wesentlich nur das deutsche Königthum in Betracht. 
Das deutsche Reich des Mittelalters war ein monarchischer Einheits- 
staat, welchen der König durch seine grossen Reichsbeamten regierte, 
freilich mit einem sehr geringen Maasse centralisirter Staatsgewalt, 
wie dies bei allen mittelalterigen Staaten der Fall war. \Während 
im Westfrankenreiche das Königthum die Mittelgewalt der grossen 
Vasallen sprengte, siegten im deutschen Reiche die centrifugalen 
Kräfte und aus den ehemaligen Reichsbeamten, den Herzögen und 
Grafen, sowie den geistlichen Würdenträgern wurden Landes- 
herrn, aus den Amtsbezirken staatenähnliche Gebilde oder Territo- 
rien. Damit war seit dem Ende des Mittelalters die eigenthümliche 
Staatsform des deutschen Reiches entschieden. 
$ 27. 
2) Vom deutschen Reiche überhaupt. 
Das Ostfrankenreich bildete auch in territorialer Be- 
ziehung den Grundstock des deutschen Reichsgebietes!; doch 
wurde das ursprüngliche Erbtheil Ludwig’s des Deutschen dadurch 
sehr erweitert, dass der Antheil Lothar’s, regnum Lotharii, Lotha- 
ringen, 870, 880 an das ostfränkische oder das deutsche Reich 
kam. Allein seit dem entschiedenen Uebergewichte Frankreichs 
wurde ein Stück des lotharingischen Besitzes nach dem andern von 
Deutschland losgerissen und im 18. Jahrh. standen nur noch ge- 
ringe Ueberreste von Lothringen und Burgund in einer nominellen 
Verbindung mit dem deutschen Reiche. Das Königreich Italien 
bildete im Mittelalter ein abhängiges Nebenland des deutschen Rei- 
ches, dessen Befugnisse sich in den letzten Jahrhunderten indessen 
auf gewisse lehensherrliche Rechte über einzelne italienische Für- 
sten beschränkten. Das Königreich Böhmen mit dem ihm inkor- 
ı H.Conring, de finibus imperii Germanieci, Helmst. in mehreren Aus- 
gaben. Chr. H. Pfeffel, limes Franciae ab Oceano ad Rhenum,. Argent. 
1785. Häberlin, Staatsrecht B.I. S.42 ff. Erstes Kapitel: »Von den Grenzen 
des deutschen Reiches«. Noch heute sehr brauchbar ist: A. F. Büsching, 
Neue Erdbeschreibung, III. Theil in 3 Bdn. enthaltend das deutsche Reich. 
VI. Aufl. Hamburg 1779. Dr. Heinrich Berghaus von Grössen, Deutschland 
vor hundert Jahren, Geschichte der Gebietseintheilung und der politischen Ver- 
fassung des Vaterlandes. 2 Bde. Leipzig 1859.1860. K. Wolff, Die unmittel- 
baren Theile des ehemaligen römisch-deutschen Kaiserreiches nach ihrer frühe- 
ren und gegenwärtigen Verbindung. Berlin 1973.
	        
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