Full text: Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901.

Evangelische Religionslehre. 11 
grund treten kann. Auf die lebendige Annahme und wirkliche An- 
eignung der Heilstatsachen und der Christenpflichten ist der Haupt- 
nachdruck im Religionsunterrichte zu legen, und dieser, soweit er sich 
auf Geschichte stützt, auf die für das religiös-kirchliche Leben bleibend 
bedeutsamen Vorgänge zu beschränken. Es ist Gewicht darauf zu 
legen, daß er an den einzelnen Anstalten nicht zu sehr zersplittert 
und überall ohne künstliche Mittel zu allen übrigen Lehrgegenständen, 
insbesondere den ethischen, in engste Beziehung gesetzt werde. Für 
keinen Unterrichtszweig gilt so sehr wie für diesen die Wahrheit, daß 
die Grundbedingung für den Erfolg in der Persönlichkeit des Lehrers 
und dessen Erfüllung mit dem Gegenstande liegt. Aber auch wo 
diese Grundbedingung vorhanden ist, darf es an der pädagogischen 
Einsicht nicht fehlen, welche in der Schlichtheit und Einfachheit des 
Darstellens und Fragens den Altersstufen der Schüler gerecht wird 
und das Dargebotene ihrer Auffassung klar und anschaulich zu ver- 
mitteln weiß. 
Im Mittelpunkte des gesamten Religionsunterrichts steht die 
Heilige Schrift. Alle anderen Unterrichtsstoffe sind als auf ihr be- 
ruhend oder zu ihr hinführend zu behandeln. Der Lehrer hat dafür 
zu sorgen, daß diese sowohl untereinander als auch mit der An- 
schauungswelt und dem Empfindungsleben der Schüler in lebendige 
Beziehung gesetzt werden. Die Beschränkung des Gedächtnisstoffes 
wird es um so leichter ermöglichen, das, was an Liedern und Bibel- 
stellen und aus dem Katechismus gelernt wird, in einen sicheren, durch 
Wiederholung gefestigten Besitz des Schülers zu verwandeln, der 
diesem in das Leben nachfolgt. 
Der unteren Stufe sind biblische Geschichten des Alten und 
Neuen Testamentes in angemessener Anzahl sowie in passender Auswahl 
und Darstellung nach einem zweckmäßigen biblischen Lesebuche, Katechis- 
muslehre und die Erlernung der für diese Stufe geeigneten Kirchen- 
lieder zugewiesen. Die Grundlage des ganzen Unterrichtes hat die 
biblische Geschichte zu bilden. Ihr sind Spruch und Lied anzugliedern, 
mit ihr ist die Behandlung des Katechismus in die engste Verbindung 
zu setzen. 
Der Mittelstufe fällt die Ergänzung und Befestigung des 
Katechismus, die Wiederholung und Erweiterung des Lieder= und 
Spruchschatzes und als Hauptaufgabe die in ihrem Zusammenhange zu 
erfassende Geschichte des Reiches Gottes im Alten und Neuen 
Testamente zu. Dabei kommt es auf eindrucksvolle Lebensbilder der 
bedeutendsten Gottesmänner, der Propheten, der Apostel, vor allem 
des Heilandes selber und auf das eindringende Verständnis ihrer 
Predigt an. Statt der Vollbibel kann für das Alte Testament ein 
biblisches Lesebuch zugrunde gelegt werden. Hierzu treten Belehrungen 
 
	        
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