Full text: Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901.

48 Geschichte. 
schiedenen Gesichtspunkten. Zwar ist das Vorführen von Tatsächlichem 
und dessen gedächtnismäßig geordnetes Festhalten auch hier unerläßlich, 
aber neben der Darstellung der äußeren Vorgänge muß auch die 
Klarlegung der inneren Verhältnisse, die auf den früheren Stufen 
naturgemäß in den Hintergrund traten, einen breiteren Raum ein- 
nehmen. Dabei kommt es vor allem darauf an, das Verständnis für 
den pragmatischen Zusammenhang der Ereignisse und für ein höheres 
Walten in der Geschichte sowie die Fähigkeit zum Begreifen der Gegen- 
wart aus der Vergangenheit zu entwickeln. Namentlich wird den 
Schülern Anleitung zu geben sein, daß sie solche Erscheinungen des 
geistigen und wirtschaftlichen Lebens, die von wesentlichem Einfluß 
auf die Volksentwickelung gewesen sind, genügend würdigen lernen. 
3. Der Erfolg hängt in erster Linie von der Lehrerpersönlichkeit 
ab, welche nur in freier Behandlung des Stoffes und in freiem Lehr- 
vortrage zu voller Geltung kommt. 
Besonders sicheren Takt und große Umsicht in der Auswahl und 
Behandlung des einschlägigen Stoffes erheischt die für UIl und 0 I 
geforderte Belehrung über wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen 
in ihrem Verhältnis zur Gegenwart. Der von ethischem und geschicht- 
lichem Geiste getragene Unterricht hat hierbei einerseits auf die Be- 
rechtigung mancher sozialen Forderungen der Jetztzeit einzugehen, 
andererseits aber die Verderblichkeit aller gewaltsamen Versuche der 
Anderung sozialer Ordnungen darzulegen. Je sachlicher er die geschicht- 
liche Entwickelung des Verhältnisses der Stände untereinander und der 
Lage des arbeitenden Standes insbesondere behandelt und den stetigen 
Fortschritt zum Besseren unter Vermeidung jeder Tendenz nachweist, 
um so eher wird es bei dem gesunden Sinne unserer Jugend gelingen, 
sie zu klarem und ruhigem Urteil über das Verhängnisvolle un- 
berechtigter sozialer Bestrebungen der Gegenwart zu befähigen. 
Diese wirtschaftlichen Belehrungen werden sich ungezwungen 
überall da in den Gang der Geschichte einflechten lassen, wo die 
Lösung sozialer Aufgaben und wirtschaftlicher Probleme versucht worden 
ist. Wo die Geschichte der letzten Jahrhunderte Anlaß bietet, die 
sozialpolitischen Maßnahmen der europkischen Kulturstaaten vor Augen 
zu führen, ist der Übergang zur Darstellung der Verdienste unseres 
Herrscherhauses um die Förderung des Volkswohles bis in die neueste 
Zeit herab von selbst gegeben. 
Selbstverständlich ist, daß solche Belehrungen in UII der Stufe 
entsprechend knapp und mehr tatsächlich, in OI ausgedehnter und 
mehr pragmatisch zu behandeln, überall aber auf das dem Verständnis 
der Schüler Zugängliche zu beschränken sind. 
4. Sehr zu empfehlen ist die vielfach mit bestem Erfolge aus- 
geführte vergleichende und den Stoff nach verschiedenen Gesichtspunkten
	        
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