Full text: Das Völkerrecht.

89. Das Staatsgebiet. 89 
die beiden in Frage kommenden Schiffe fremder Nationalität an- 
gehören oder sogar dieselbe fremde Flagge führen. Diesen Stand- 
punkt nimmt nicht nur die englische Territorial waters jurisdiction 
act vom 16. August 1878, sondern auch das deutsche Gesetz vom 
27. Juli 1877 (R.G.Bl. S. 549) betreffend die Untersuchung von 
Seeunfällen ein. Die Gerichte des Uferstaates haben hier nach 
ihrem heimischen Recht das Verschulden der beteiligten Schiffer 
und die zivilrechtlichen wie die strafrechtlichen Folgen dieses Ver- 
schuldens festzustellen; die inländischen Vollstreckungsbehörden für 
die Durchsetzung der festgestellten Unrechtsfolgen zu sorgen. Da- 
gegen hat der Uferstaat keine Gerichtsbarkeit über die Delikte, die 
an Bord eines die Küstengewässer durchfahrenden fremden 
Schiffes begangen werden, soweit die Störung der Rechtssicherheit 
sich auf die an Bord des Schiffes befindlichen Personen beschränkt. 
Die weitergehenden Bestimmungen des eben angeführten englischen 
Gesetzes von 1878 sind von den meisten Vertretern des Völker- 
rechts lebhaft angefochten worden. 
Nicht wesentlich anders ist die Rechtsstellung der in den 
Küstengewässern verankerten Schiffe gegenüber der Gerichtsbar- 
keit des Uferstaates. Zwar wird hier von den völkerrechtlichen 
Schriftstellern teils die uneingeschränkte Gerichtsbarkeit des Ufer- 
staates, teils die unbedingte Exterritorialität des fremden Schiffes 
behauptet, aber diesen beiden extremen Ansichten steht eine ganz 
feste Staatenpraxis gegenüber. Nach dieser hat der Uferstaat nur 
dann die Gerichtsbarkeit über die an Bord des fremden Schiffes 
begangenen Delikte, wenn und soweit durch das Delikt be- 
rechtigte Interessen des Uferstaates selbst oder eines 
seiner nicht an Bord des fremden Schiffes befindlichen 
Staatsangehörigen verletzt oder gefährdet worden sind. 
In dieser Fassung ist der von Frankreich ‚seit der Entschei- 
dung des Conseil d’Etat von 1806 vertretene Rechtssatz in einer 
großen Anzahl von Staatsverträgen, so in sämtlichen Verträgen 
Frankreichs, des Deutschen Reiches und anderer Staaten ausdrück- 
lich ausgesprochen worden. In den Verträgen ist meistens gesagt,
	        
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