100 1. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
halten.‘ Vergl. auch Art. XII des deutsch-englischen Abkommens
vom 1. Juli 1890 betreffend die Bewohner von Helgoland (Kolonial-
blatt‘ S. 120).
DI. Okkupation ist die Begründung der Gebietshoheit (mithin
der Erwerb der Staatshoheit, des Imperium) auf bisher staatslosem
Gebiet.
1. Die Okkupation erfordert begrifflich tatsächliche Herrschaft
über das Geblet (Prinzip der Effektivität) und sie reicht nur soweit
wie diese.
Die Okkupation ist mithin ganz wesentlich verschieden von
der Abgrenzung des Hinterlandes oder der Interessensphäre, die
nach den oben $ 9 III 2 gemachten Auseinandersetzungen ledig-
lich die Begründung eines erst auszuübenden ausschließlichen
Okkupationsrechts bedeutet. Sie ist verschieden ferner von der
Begründung eines völkerrechtlichen Protektorats über ein weiter-
bestehendes Staatswesen (oben $ 6 IV); sie fällt aber zusammen mit
der Erwerbung einer staatsrechtlichen Schutzherrschaft über so-
genannte Schutzgebiete, die in Wahrheit dem Staatsgebiete ein-
gegliederte Kolonien sind (oben $9 II 1).
Die Okkupation ist ursprüngliche Erwerbsart. Sie setzt daher
voraus, daB die erworbenen Gebiete einer Staatsgewalt bisher nicht
unterworfen waren. Dabei ist der Begriff des Staates in dem
oben & 5 II entwickelten Sinne festzuhalten. Nomadisierende Neger-
stämme sind, auch wenn sie etwa unter der erblichen Herrschaft
ihrer Häuptlinge stehen, nicht Staaten im Sinne des Völkerrechts;
die mit ihnen geschlossenen Verträge können daher abgeleitete
Gebietserwerbungen nicht begründen, sondern lediglich als Beweis
oder Indizium dafür verwendet werden, daß ein Staat früher als
ein anderer sich in dem in diesen Verträgen bezeichneten Gebiete
festgesetzt, dieses also durch Okkupation für sich erworben hat.
Gebiete, die unter der Herrschaft eines außerhalb der Völker-
gemeinschaft stehenden Staates stehen, sind dagegen der Okku-
pation entzogen; der auf Vereinbarung mit solchen Staaten gestützte
Erwerb ist abgeleiteter, nicht ursprünglicher Erwerb.