814. Die Gesandten. 127
nommen werden, daß er auf die Befreiung von der inländischen
Zivilgerichtsbarkeit in allen Rechtsstreitigkeiten verzichtet, nicht
nur in denjenigen, die aus dem Betrieb des Handels und Gewerbes
sich ergeben. Auch in diesem Falle gelten aber die soeben auf-
gestellten Einschränkungen.
Das Gegenstück zu der Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des Empfangsstaates bildet der ebenso durch das Völkerrecht wie
durch das nationale Staatsrecht der Kulturstaaten allgemein an-
erkannte Satz, daß der Gesandte wegen aller von ihm begangenen
Delikte in seinem Heimatsstaat nach dessen Gesetzen verantwortlich
gemacht, und daß er wegen aller von ihm eingegangenen privat-
rechtlichen Verpflichtungen vor den Gerichten des Heimatstaates
verfolgt werden kann. Seine Befreiung ist nicht: Befreiung von
der Herrschaft des Gesetzes überhaupt, sondern Befreiung von den
Gesetzen des Empfangsstaates unter gleichzeitiger Gebundenheit an
die Gesetze des Absendestaates.
3. Die Unbetretbarkeit der Wohnung (franchise de I’hötel) und
damit die Unantastbarkeit aller in Haus und Hof befindlichen Gegen-
stände.‘
Vor zwei nahe liegenden Irrtümern ist jedoch zu warnen.
Die Hotelfreiheit schließt kein Asylrecht in sich. Flüchtet sich ein
Verbrecher in das Gesandtschaftshotel, so ist der Gesandte zur Aus-
lieferung, auch ohne Bestehen eines Auslieferungsvertrages, ver-
pflichtet. Die Hotelfreiheit schließt auch nicht die Fiktion in sich, als
wäre das Haus des Gesandten als Territorium des Absendestaates zu
betrachten. Wird in dem Berliner Hotel des englischen Gesandten
ein Engländer von einem andern Engländer ermordet, so ist die
Tat auf deutschem Staatsgebiet begangen und von den deutschen
Gerichten abzuurteilen.
Früher war die Unbetretbarkeit vielfach auf das ganze Stadt-
viertel ausgedehnt worden, in dem das Haus des Gesandten lag
(jus quarteriorum oder franchise des quartiers). Damit war zugleich
das Asylrecht gegeben.
4) Vergl. R.G. III, 693.