4 Einleitung.
christliche Staaten in andern Weltteilen. So Liberia, Abessinien,
sowie den erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entstan-
denen Kongostast.
Aber auch die Beschränkung auf die christlichen Staaten
ist aufgegeben. Zwar die Aufnahme der Türkei in das „euro-
päische Konzert“, die der Pariser Kongreß 1856 ausgesprochen
hatte, ist toter Buchstabe geblieben; die damals erwartete Ver-
jüngung des osmanischen Reiches ist nicht eingetreten, und die
langsame Auflösung der europäischen ‚Türkei schreitet trotz der
Eifersucht der Großmächte unaufhaltsam weiter. In der Fortdauer
des mit dem Grundgedanken des Völkerrechts unverträglichen
Systems der Kapitulationen (unten $ 15) kommt die Tatsache zum
Ausdruck, daß die Türkei als gleichberechtigtes Glied der Staaten-
gemeinschaft nicht betrachtet und behandelt wird.
Ganz anders steht es mit dem jüngsten Kinde der Völker-
familie. Japan hatte seit 1854 das Land wenigstens teilweise dem
Verkehr erschlossen und durch eine Reihe von Verträgen seine
Rechtsstellung zu den übrigen Mächten geregelt. Aber erst mit der
Beseitigung des Lehenstaates und der Wiederaufrichtung der kaiser-
lichen Herrschaft im Jahre 1868 beginnt die Zeit eines über alles Er-
warten raschen und glänzenden Aufblühens des Landes. Von da ab
ist es das Streben Japans, um den Preis der vollen Erschließung des
Landes die konsularische Jurisdiktion der fremden Mächte zu besei-
tigen und sich die uneingeschränkte Autonomie zu sichern. Die im
Jahre 1889 mit Deutschland, Rußland und den Vereinigten Staaten
vereinbarten Verträge, in denen eine Übergangszeit von 12 bis 15 Jahren
und für diese die Aufnahme ausländischer Richter in die obersten
Gerichtshöfe Japans vorgesehen war, führten nicht zum Ziele. Der
Minister Okuma fiel als Opfer der extrem-nationalistischen Partei,
die Verträge wurden nicht ratifiziert, und die Verhandlungen gerieten
ins Stocken. Da kam der chinesisch -japanische Krieg von 1894, der
nicht nur Japans Waffentüchtigkeit, sondern auch seine gewissenhafte
Beobachtung der völkerrechtlichen Grundsätze ins hellste Licht setzte
und zugleich Japans Stellung innerhalb der Gruppe der Weltmächte