823. Rechtsnachfolge bei Gebietsveränderungen. 187
abtritt, so rückt damit nicht etwa der Staat B in einen vom Staate A
abgeschlossenen Bündnisvertrag mit dem Staate C bezüglich der
abgetretenen Gebiete ein. Dasselbe muß aber auch angenommen
werden, wenn durch Vereinbarung zweier Staaten der eine von
beiden ganz in den andern aufgeht; auch hier ist das bisherige
Rechtssubjekt völlig untergegangen, und alle seine völkerrechtlichen
Beziehungen sind vernichtet.
2. Verschieden von diesem Falle ist die Spaltung eines bisher
einheitlichen Staates in mehrere Teile (dismembratio); hier bleiben
die mit dem Einheitsstaate geschlossenen Verträge für die nunmehr
selbständig gewordenen Staatsteile weiter bestehen. So sind die
von der Österreichischen Monarchie vor 1867 geschlossenen Ver-
träge seit der Einführung des Dualismus nicht etwa aufgehoben
worden, sondern bestehen für beide Reichshälften weiter. Freilich
wird, da die Rechtslage sich durch eine solche Spaltung wesent-
lich geändert hat, sowohl den neugebildeten Staatswesen als auch
den dritten Staaten das Recht eingeräumt werden müssen, die ge-
schlossenen Verträge zu kündigen (oben $ 21 IV 1). Ebenso liegt
es, wenn, wie bei der Gründung des Deutschen Reichs, mehrere
bisher selbständige Staaten sich durch freie Vereinbarung zu einem
Staatenbunde oder Bundesstaate zusammenschließen; die von jedem
von ihnen geschlossenen Verträge dauern weiter, da die Rechts-
gubjektivität des Gliedstaates selbst im Bundesstaate nicht völlig
verlorengeht. Bei einem Zusammenschluß zum Einheitsstaate
dagegen müßte wegen des völligen Unterganges der bisherigen
völkerrechtlichen Rechtssubjekte auch das Erlöschen der sämtlichen
von den ehemals selbständigen Staaten geschlossenen Verträge be-
hauptet werden.
3. Schwierigkeiten bietet die Begründung einer völkerrechtlichen
Schutzherrschaft. Man muß annehmen, daß alle Verträge des
nunmehr geschützten Staates erloschen sind, welche die unein-
geschränkte Souveränität des Vertragschließenden voraussetzen.
Hierher gehören vor allem Bündnisverträge, auch alle politischen
Verträge überhaupt. Die übrigen Verträge des geschützten Staates