188 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr der Staaten im allgemeinen.
bleiben bestehen; doch führt auch hier die Verschiebung der Rechts-
lage zu einem Kündigungsrecht sowohl des oberherrlichen Staates,
als auch aller anderen Staaten, die mit dem jetzt nur mehr halb-
souveränen Staate Verträge geschlossen haben. Die von dem Schutz-
staate geschlossenen Verträge werden jedenfalls nicht auf das
Gebiet des geschützten Staates ausgedehnt, da dieser seine völker-
rechtliche Rechtssubjektivität nicht vollständig einbüßt,
II. Eine Bechtsnachfolge muß dagegen bei abgeleitetem Erwerb
angenommen werden, sowelt es sich um privatrechtliche Rechtsverhält-
nisse (Eisenbahnkonzessionen usw.) handelt. Dies gilt auch von den
Staatsschulden. Die Frage führt aber gerade in ihrem wichtigsten
Anwendungsgebiete über das Völkerreeht hinaus. ®
Allgemein anerkannte Rechtssätze lassen sich bezüglich der
Staatsschulden allerdings nicht aufstellen. Meist werden in den
Friedens- oder sonstigen Zessionsverträgen besondere und ausdrück-
liche Vereinbarungen getroffen. Jedenfalls findet eine Rechtsnach-
folge statt in die sogenannten hypothezierten Schulden (dettes
hypoth&quses), d.h. diejenigen Schulden, die im ausschließlichen
Interesse des abgetretenen Gebietes (etwa für die Entwässerungs-
arbeiten) aufgenommen worden sind, sowie in die Grundschulden
(dettes hypothöcaires), d. h. diejenigen, für welche unbewegliches
in dem abgetretenen Gebiete gelegenes Staatsgut verpfändet ist.
Doch pflegt der erwerbende Staat aus freier Entschließung einen
verhältnismäßigen Anteil auch an den übrigen Staatsschulden zu
übernehmen.
IV. Gebietsveränderungen, bei welchen der Bestand der beiden
Staaten erhalten bleibt, haben grundsätzlich keinen Einfluß auf die
bestehenden völkerrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen. Die
von dem erwerbenden Staat geschlossenen Verträge erstrecken sich
ohne weiteres auch auf die neu erworbenen Gebiete; und die von dem
verkleinerten Staate geschlossenen Verträge bleiben trotz des Gebiets-
verlustes welter bestehen.
3) Vergl. Rivier 97, Ullmann 71; ganz besonders aber Huber.