Full text: Das Völkerrecht.

8 24. Das völkerrechtliche Delikt. 193 
Doch müssen diese Handlungen nicht nur objektiv rechts- 
widrig, sondern auch schuldhaft, d. h., vorsätzlich oder fahrlässig, 
begangen sein. Daher haftet der Staat für Entscheidungen und 
Verfügungen seiner Gerichte und Verwaltuugsbehörden nur dann, 
wenn diese als. schuldhaftes Unrecht, als Rechtsverweigerung, 
Rechtsverzögerung, Rechtsbeugung, Bedrückung usw: sich .dar- 
stellen. Entscheidungen oder Verfügungen, die objektiv und sub- 
jektiv oder auch nur subjektiv betrachtet kein Unrecht darstellen, 
vermögen niemals die Haftung des Staates zu begründen. ® 
8. Der Staat haftet in allen diesen Fällen nur für völkerrechts- 
widrige. Unterlassung der Verhinderung oder Bestrafung. 
Die Berufung auf die Mangelhaftigkeit der nationalen Gesetz- 
gebung befreit nicht von der Haftung. Jeder Staat ist verpflichtet, 
seine Gesetzgebung so einzurichten, daß sie ihn in den Stand 
setzt, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen (oben 
87 II1). Aber die Haftung des. Staates ist in allen hierher ge- 
hörigen Fällen bedingt dadurch, daß der Verletzte den Rechtsweg 
vergeblich betreten hat. Nur wenn dieser Weg versagt, tritt die 
Haftung des Staates ein. Sie ist nicht unmittelbar, sondern nur 
mittelbar begründet. 
Wenn fremde Staatsangehörige bei leidenschaftlich erregtem 
Nationalitätenhaß wegen ihrer Angehörigkeit zu dem fremden Staate 
verletzt worden sind (man erinnere sich an die Lynchung frei- 
gesprochener Italiener in New-Orleans 1891), so ist eine Haft- 
pflicht des Aufenthaltsstaates der Verletzten nach, Völkerrecht an 
sich nicht begründet; diese haben vielmehr zunächst den Rechts- 
weg zu beschreiten. Doch haben die Regierungen, namentlich 
der europäischen Staaten, wiederholt in solchen Fällen Eintschädi- 
gungen gewährt. So Frankreich 1893 aus Anlaß der Schlägerei 
zwischen Franzosen und Italienern zu Aigues-Mortes. Eine recht- 
liche Verpflichtung dazu bestand aber nicht. * 
  
3) Teilweise abweichend Triepel 351. Vergl. Regeisberger, R.G. 
IV 735. 
4) Vergl. R.G, 1171. 
v. Liszt, Völkerrecht. 4. Aufl. 13
	        
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