212 III. Buch. Regelung und Verwaltung gemeinsamer Interessen.
Nach dem oben aufgestellten Grundsatze stehen die Meer-
engen des Bosporus und der Dardanellen unter der Staatsgewalt
der Türkei; diese aber wäre nach demselben Grundsatze nicht be-
rechtigt, den Schiffen der übrigen Mächte die Durchfahrt zu ver-
sagen. Im Frieden zu Adrianopel 1829 (Art. 7) mußte sich die
Türkei verpflichten, die von ihr im Jahre 1809 ausgesprochene
Sperrung der Meerengen wieder aufzuheben und die Durchfahrt
nicht nur den russischen, sondern auch den Schiffen der übrigen
mit der Türkei im Frieden lebenden Mächte zu gestatten, so weit
die Schiffe in der Fahrt von oder nach einem russischen Hafen
am Schwarzen Meere begriffen seien. Dagegen wurde in dem ge-
heimen Zusatzartikel zu dem Friedensvertrage von Hunkiar Iskelessi
1833 zwischen Rußland und der Pforte vereinbart, daß diese
fremden Kriegsschiffen die Durchfahrt unter keinen Umständen ge-
statten solle Damit hatte sich Rußland die Herrschaft über die
Meerenge gesichert.
Durch den Meerengenvertrag von 1841 wurde die Schließung
der Meerenge für andere als türkische Kriegsschiffe, unter Gleich-
stellung Rußlands mit allen anderen Mächten, ausdrücklich als
Rechtssatz des Völkerrechts hingestellt, und die Türkei verpflichtete
sich, ihn zur Anwendung zu bringen. Eine Ausnahme wurde für
leichte Kriegsschiffe im Dienste der Gesandtschaften gemacht; jede
der Signatarmächte sollte das Recht haben, ein solches Schiff
durchfahren zu lassen. Diese Bestimmungen wurden durch einen
besonderen Anhang zum Pariser Frieden von 1856 aufrechterhalten.
In Art. 1 dieser Vereinbarung erklärte der Sultan, „dafs er des
festen Willens ist, in Zukunft das als alte Regel Seines Reiches
unwandelbar festgestellte Prinzip, und (!) in Folge dessen es zu
allen Zeiten den Kriegsschiffen der fremden Mächte untersagt war,
in die Meerenge der Dardanellen und des Bospor einzulaufen, auf-
recht zu erhalten; und dafs Se. Majestät, so lange sich die Pforte
im Frieden befindet, kein fremdes Kriegsschiff in die genannten
Meerengen einlassen wird.“ Und die übrigen Mächte „verpflichten
sich, diese Willensbestimmung des Sultans zu achten und sich