Full text: Das Völkerrecht.

$38. Die nicht-kriegerische Erledigung. 307 
Das erste Kapitel betrifft das „Schiedswesen® (la justice 
arbitrale; Art. 15 bis 19). In Rechtsfragen, insbesondere in Fragen 
der Auslegung oder Anwendung von Staatsverträgen, wird die 
Schiedssprechung von den Signatarmächten als das wirksamste und 
zugleich der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, 
um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem 
Wege haben beseitigt werden können. Der rein fakultative Charakter 
des schiedsrichterlichen Verfahrens ist streng gewahrt. Rußland 
hatte im Verlauf der Verhandlungen das obligatorische Schiedsgericht 
wenigstens für gewisse Streitigkeiten vorgeschlagen; dieser Vorschlag 
scheiterte an dem bestimmten Widerspruche, den das Deutsche Reich 
dagegen erhob. Der Schiedsvertrag schließt die Verpflichtung in 
sich, sich nach Treu und Glauben dem Schiedsspruche zu unter- 
werfen. Die Mächte behalten sich vor, besondere Vereinbarungen 
zu treffen, um die obligatorische Schiedssprechung auf die ihnen 
geeignet scheinenden Fälle auszudehnen; die in dieser Beziehung 
bereits bestehenden Verträge bleiben in Kraft (vergl. oben 3). 
Das zweite Kapitel (Art. 20 bis 29) enthält den eigentlichen 
Kernpunkt der ganzen Konvention: die Einsetzung eines „ständigen 
Schiedshofes* (Cour permanente d’arbitrage). Über die Zusammen- 
setzung dieses ständigen Gerichtshofes und die Auswahl der im 
Einzelfall zur Entscheidung berufenen Schiedsrichter vergleiche das 
oben $ 18 IV Gesagte. An dem durch die Streitteile bestimmten 
Tage tritt das Schiedsgericht zusammen. Die Mitglieder des 
Schiedshofes genießen während der Ausübung ihres Amtes und 
außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und 
Befreiungen. Die Signatarmächte betrachten es als ihre Pflicht, 
die streitenden Mächte daran zu erinnern, daß ihnen der ständige 
Schiedshof offenstehe. 
Über das Bureau und den Verwaltungsrat vergl. oben 
817 I 10. 
Kapitel 3 (Art. 30 bis 57) regelt das Schiedsverfahren 
(la proc&dure arbitrale), soweit über dieses nicht besondere Verein- 
barungen unter den Streitteilen getroffen sind. Das Verfahren zer- 
20*
	        
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