350 IV.Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Zur Wegnahme genügt nicht, daß das nach einem blockierten
Hafen bestimmte Schiff auf die Fahrt ausgelaufen ist; es muß
vielmehr bereits in den Machtbereich des Blockadegeschwaders
gelangt sein. Doch muß das Schiff vor der Wegnahme, wenn ihm
die Generalnotifikation unbekannt geblieben ist, auf die bestehende
Blockade besonders aufmerksam gemacht worden sein (Spezial-
notifikation); die erfolgte Mitteilung wird meist durch Eintragung
in die Schiffspapiere beurkundet. Diese mildere Übung wurde auch
von den Vereinigten Staaten 1898 befolgt. Gelungene Durch-
brechung der Blockade beweist, daß diese nicht effektiv gewesen
ist, erzeugt daher für den Blockierenden keinerlei Anspruch. Die
Lehre von der „einheitlichen Reise* muß auch hier (unten $ 42
IV 3) zurückgewiesen werden. Hat das Schiff die Blockade
glücklich durchbrochen, und wird es später auf der Weiterfahrt
oder auf der Rückfahrt aufgegriffen, so darf es nicht mit Beschlag
belegt werden. Die Mannschaft des kondemnierten Schiffes wird
nicht kriegsgefangen, kann aber bis zur Beendigung des Verfahrens
zurückbehalten werden.
Gestattet ist der amtliche Verkehr der neutralen Mächte mit
ihren Agenten. Auch wird den Kriegsschiffen der neutralen Mächte
meist die Durchfahrt bewilligt.
4. Die Blockade wird aufgehoben (nieht nur unterbrochen),
sobald aus irgend einem nicht bloß vorübergehenden Grunde ihre
Effektivität entfällt.
Es genügt also zur Aufhebung der Blockade nicht, daß das
blockierende Geschwader durch den Sturm zerstreut worden ist,
wohl aber, daß es auf der Flucht vor dem Feinde oder aus andern
Gründen sich aufgelöst oder seine Stelle verlassen hat. In diesem
Falle ist die Wirksamkeit der erneuten Blockade durch erneute
Notifikation bedingt.
V. Das feindliche Privateigentum unter feindlicher Flagge unter-
liegt im Seekrieg als gute Prise dem Seebeuterecht, d. h. der Weg-
6) So die überwiegende englische Literatur.