Die Genfer Konvention. 385
Das leichte Feldlazareth dagegen bleibt unter gleichen Umständen
im Besitz seines Materials,
Art. 5. Die Landesbewohner, welche den Verwundeten zu Hülfe
kommen, sollen geschont werden und frei bleiben.
Die Generale der kriegführenden Mächte haben die Aufgabe, die
Einwohner von dem an ihre Menschlichkeit ergehenden Rufe und der daraus
sich ergebenden Neutralität in Kenntnis zu setzen.
Jeder in einem Hause aufgenommene und verpflegte Verwundete
soll demselben als Schutz dienen. Der Einwohner, welcher Verwundete
bei sich aufnimmt, soll mit Truppeneinquartierung sowie mit einem Theil
der etwa auferlegten Kriegscontributionen verschont werden.
Art. 6. Die verwundeten oder kranken Militärs sollen ohne Unter-
schied der Nationalität aufgenommen und verpflegt werden.
Den Öberbefehlshabern soll es freistehen, die während des Gefechts
verwundeten feindlichen Militärs sofort den feindlichen Vorposten zu über-
geben, wenn die Umstände dies gestatten und beide Parteien einver-
standen sind.
Diejenigen, welche nach ihrer Heilung als dienstunfähig befunden
worden sind, sollen in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Die Andern können ebenfalls zurückgeschickt werden unter der
Bedingung, während der Dauer des Krieges die Waffen nicht wieder zu
ergreifen.
Die Verbandplätze und Depots nebst dem sie leitenden Personal
geniessen unbedingte Nentralität.
Art. 7. Eine deutlich erkennbare und übereinstimmende Fahne soll
bei den Feldiazarethen, den Verbindeplätzen und Depots aufgesteckt werden.
Daneben muss unter allen Umständen die Nationalflagge aufgepflanzt werden.
Ebenso soll für das unter dem Schutz der Neutralität stehende Per-
sonal eine Armbinde zulässig sein; aber die Verabfolgung einer solchen
bleibt der Militärbehörde überlassen.
Die Fahne und Armbinde sollen ein rothes Kreuz auf weissem
Grunde tragen.
Art. 8. Die Einzelheiten der Ausführung der gegenwärtigen Con-
vention sollen von den Oberbefehlshabern der kriegführenden Armeen nach
den Anweisungen ihrer betreffenden Regierungen und nach Massgabe der
in dieser Convention ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze angeordnet
werden.
Art. 9. Die hohen vertragschliessenden Mächte sind übereingekommen,
gegenwärtige Convention denjenigen Regierungen, welche keine Bevoll-
mächtigte zur internationalen Conferenz in Genf haben schicken können,
mitzutheilen und sie zum Beitritt einzuladen. Das Protokoll wird zu diesem
Zweck offen gelassen.
Art. 10. Die gegenwärtige Convention soll ratificirt und die Rati-
fieationsurkunden sollen in Bern, binnen vier Monaten, oder, wenn es sein
kann, früher ausgewechselt werden.
Zu Urkund dessen haben die betreffenden Bevollmächtigten dieselbe
unterzeichnet und den Abdruck ihrer Wappen beigefügt.
Geschehen zu Genf den zweiundzwanzigsten August dos Jahres ein-
tausend achthundert und vierundsechzig.
v. Liszt, Völkerrecht. 4. Aufl. 25