86. Die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. 49
Rumänien wie in der Türkei ausgesprochen worden, obwohl der
Vertrag von den neu anerkannten Staaten Serbien und Rumänien
nicht mit unterzeichnet, also nicht mit geschlossen wurde. So ist
durch die Berliner Kongoakte von 1885 die Handelsfreiheit für
das ganze Kongobecken, also auch für den nicht mit unterzeich-
neten Kongostaat vereinbart worden.
Auch durch unkündbare, von dritten Mächten auferlegte Ver-
pflichtungen, wird mithin die Souveränität als „die höchste, nur
sich selbst bestimmende Macht“ (Laband) zwar beschränkt, aber
nicht, auch nicht teilweise, ausgeschlossen.
II. Schwierigkeiten bietet die völkerrechtliche Stellung der Staaten-
verbindungen, bei welehem neben der Verbindung selbst auch die ein-
zelnen verbundenen Gliedstaaten in Betracht kommen. *®
Die Schwierigkeit liegt darin, daß die geschichtlich gegebenen
Erscheinungen sich den von der Wissenschaft aufgestellten Begriffen
nicht immer einordnen lassen und die verschiedensten Gestaltungen
aufweisen. Die staatsrechtliche Lehre pflegt Personal- und Real-
union, Staatenbund und Bundesstaat zu unterscheiden. Für das
Völkerrecht ergibt sich die Notwendigkeit einer andern Reihenfolge.
1. In der Personalunion ist jeder einzelne der verbundenen
Staaten, nicht aber die Union als solche, völkerrechtliches Reehtssubjekt.
Die Personalunion wird gebildet durch die zufällige Gemein-
samkeit des monarchischen Staatshauptes. Sie berührt die Selbständig-
keit der verbundenen Staatswesen in keiner Weise. Im Verkehr mit
den übrigen Staaten kann jeder der verbundenen Staaten unabhängig
von dem andern auftreten. Die völkerrechtliche Rechtsfähigkeit ruht
nur bei den einzelnen verbundenen Staaten, nicht bei der Union.
Beispiele bieten: 1707 bis 26. Mai 1857 Preußen und Neuen-
burg; 1815 bis 23. Oktober 1890 die Niederlande und Luxemburg;
seit 1885 Belgien und der Kongostaat.
3) Brie, Theorie der Staatenverbindungen. 1886. Jellinek, Die
Lehre von den Staatenverbindungen. 1882. Derselbe, Staatslehre (oben
& 1 Note3) 8.686. Le Fur, Etat föderal et Confödaration d’Etats. 1896
(deutsche Bearbeitung von Posener: Bundesstaat und Staatenbund in ge-
scohichtlicher Entwicklung. 1902).
v. Liszt, Völkerrecht. 4. Aufl. 4