86. Die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. 53
sie in seine Handlungsfähigkeit ein, wenn sie ihm zugleich die
Entwaffnung (mit Schleifung der Festungen) auferlegt.
Die dauernde Neutralisierung bindet aber ferner die anderen
Staaten; und zwar nicht nur diejenigen, welche die Neutrali-
sierung vereinbart haben, sondern auch alle übrigen, soweit sie, sei
es ausdrücklich, sei es auch nur stillschweigend (unten $ 20 II 3)
ihre Zustimmung erteilt haben. Verletzung der Neutralität durch die
Kriegführenden erscheint mithin als völkerrechtliches Delikt und
berechtigt die Mächte zum Einschreiten gegen den Friedenstörer.
Ganz besonders aber bindet die Neutralisierung die Garantie-
mächte; d. h. diejenigen Staaten, die sich verpflichtet haben, die
Integrität des Gebietes des neutralisierten Staates zu schützen und
wenn nötig mit Waffengewalt zu verteidigen. Soweit diese Sicherung
als Kollektivgarantie (unten $ 22 II) zugesagt ist, verpflichtet sie
die Mächte allerdings nur zu gemeinsamer Intervention, nicht zu
einseitigem Einschreiten.
Durch die vertragsmäßige Neutralisierung wird ein völker-
rechtliches Rechtsverhältnis geschaffen, das nur unter Zustimmung
aller beteiligten Staaten geändert oder aufgelöst werden kann. Daher
kann der neutralisierte Staat nicht durch einseitige Erklärung seine
Neutralisierung aufgeben; es darf auch keiner derjenigen Staaten,
welche die Neutralisierung unter sich vereinbart haben, von dieser
Vereinbarung willkürlich zurücktreten. Ohne Zustimmung der be-
teiligten Staaten, vor allem der Garantiemächte, ist daher auch
jede Gebietsveränderung, sei es durch Vergrößerung, sei es durch
Verkleinerung, ausgeschlossen; das gilt auch von kolonialen Er-
werbungen, die den erwerbenden Staat leicht in Kriegerische Ver-
wicklungen hineinziehen können.? Dagegen kann die freiwillig ab-
gegebene Neutralitätserklärung eines Staates (Kongostaat, die skandi-
navischen Staaten seit 1904) von diesem nach freiem Ermessen
widerrufen werden.
7) Die Frage, wichtig wegen der Beziehungen Belgiens zum Kongo-
staate, ist sehr bestritten. Vergl. Nys, R. J. XXXII 1,R.G. I 417.
Fauchille, R.G. 11427, besonders aber Descamps (oben Note 5).