Full text: Das Völkerrecht.

88. Die Staatsgewalt und ihre innere Selbständigkeit. 71 
II. Die innere Selbständigkeit der Staatsgewalt äußert sich allen 
übrigen Staaten gegenüber als Autonomie in Gesetzgebung, Bechts- 
pflege, Verwaltung innerhalb des dem Staate zustehenden Machtkreises. 
Jedoch ist zu beachten: 
1. In Austibung seiner Autonomie darf der Staat nicht tiber- 
sehen, daß er nieht isoliert dasteht, sondern Glied einer großen 
Gemeinschaft glelehberechtigter Bechtsgenossen ist (interd&pendanee 
oben $1I). Er hat daher Kollisionen mit der Autonomie der andern 
Staaten zu vermeiden. 
Hier liegt der Berührungspunkt zwischen dem Völkerrecht 
und dem sogenannten internationalen Recht (oben $ 1 I). Die 
Lösung der Statutenkollision, die nicht nur im Privatrecht und 
im Strafrecht, sondern auf allen Gebieten der Gesetzgebung ohne 
jede Ausnahme von Wichtigkeit werden kann, ist zweifellos zu- 
nächst Aufgabe eines jeden einzelnen Staates. Durch seine nationale 
Gesetzgebung hat er zu bestimmen, ob im einzelnen Fall inlän- 
disches oder ausländisches Recht zur Anwendung kommen soll, 
Aber die ausnahmslose Anwendung des inländischen Rechts auf 
alle zur Beurteilung der nationalen Behörden gelangenden Rechts- 
verhältnisse, also die uneingeschränkte Durchführung des Territorial- 
prinzips, würde im Widerspruch stehen zu dem Grundgedanken 
des Völkerrechts selbst: zu der Anerkennung der Gleichberechtigung 
aller Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft und der Abgrenzung 
der Machtkreise; und sie würde im Widerspruch stehen zu den 
Bedürfnissen des internationalen Verkehrs, insbesondere des Handels- 
verkehrs. In der Tat bringt kein einziger Staat heute ausnahms- 
los sein heimisches Recht zur Anwendung. Jeder Staat schreibt 
vielmehr unter gewissen Voraussetzungen die Anwendung des aus- 
ländischen Rechtes vor, mag es sich um die persönliche Hand- 
lungsfähigkeit eines. Ausländers oder um ein dingliches Recht an 
einer im Auslande gelegenen Sache oder um die Gültigkeit eines 
im Ausland geschlossenen Vertrages usw. handeln. Diese Grund- 
sätze, durch welche die Entscheidung über die „Konflikte“ des 
inländischen. mit dem ausländischen Recht, über die „Kollision
	        
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