82 I. Buch. Die Reohtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
2. Dagegen gehört zum Staatsgebiet nicht das „,Hinterland‘“°
der Kolonien (die sogenannten Interessensphären).” In diesem Gebiet
hat der Staat nicht die Staatsgewalt, sondern zunächst nur ein aus-
schließliches Okkupationsrecht, sowie das Reeht, schon vor vollzogener
Okkupation die Austibung fremder Staatsgewalten auszuschließen.
Die Abgrenzung der Interessensphären, wie sie zwischen den
verschiedenen Kolonialmächten durch zahlreiche Verträge im letzten
Jahrzehnt, insbesondere zur friedlichen Aufteilung von Afrika, vor-
genommen worden ist und immer noch vorgenommen wird, be-
deutet zunächst nur die vertragsmäßige Einräumung eines aus-
schlieBlichen Okkupationsrechtes; sie berechtigt und bindet daher
unmittelbar nur die vertragschließenden Teile. Aber der Verzicht des
zunächst an den Erwerbungen interessierten Vertragsgegners und die
ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der übrigen Mächte,
denen von dem Vertrage Mitteilung gemacht worden ist, muß wohl
weitergehend als die Einräumung eines absoluten auch gegen jeden
Dritten wirkenden Rechts gedeutet werden (unten $ 20 II 3).
So erscheint die „Interessensphäre“ als eine Vorstufe des
Staatsgebietes, dem sie, durch allmähliche Einrichtung von Ver-
waltung und Rechtspflege, schrittweise einverleibt wird, ohne daß
es dabei jedesmal einer besonderen Mitteilung an die übrigen
Mächte bedürfte.
Dieser Auffassung entspricht es, wenn z. B. durch die Ver-
ordnung vom 2. Mai 1894 (R.G.Bl. S. 461) der Reichskanzler er-
65) Der Ausdruck Hinterland ist in die französische Rechtssprache
übergegangen. Vergl. über den Begriff Despagnet, R.G.1103. Adam,
L. A. VI284. van Ortroy, Conventions internationales döfinissant les limites
actuelles des possessions, protectorats et sphöres d’influence en Afrique
publides d’apres les textes authentiques. 1898. Die im Text vertretene Auf-
fassung teilen Laband II 270, Rehm 84, Gareis 63. — Verschieden von
diesen nur ungenau sogenannten Interessensphären sind die „Einfluß-
sphären‘“, die in der heutigen Weltpolitik der Großmächte eine besondere
Rolle spielen. Sie entstehen, wenn ein Staat in dem Gebiete eines anderen
Staates sich die ausschließliche Betätigung seines politischen oder wirtschaft-
lichen Einflusses sichert. Diese vertragsmäßigen. Abmachungen haben mit
der uns hier beschäftigenden Frage nichts zu tun.