$ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet. 89
an den in dem abgetretenen Gebiete gelegenen Grundstücken nicht aufzugeben.
Die Erklärung des Vaters gilt auch für die unter väterlicher Gewalt stehenden
Kinder, die des Ehemannes auch für die Frau (option collective).
Die älteren Verträge gewährten den Einwohnern der abgetretenen
Gebiete vielfach „libre sortie“; d. h. sie durften mit ihrer beweglichen
und beweglich gemachten Habe den bisherigen Wohnsitz verlassen und
den neuen frei sich wählen (beneficium emigrandi). So schon der
Utrechter Frieden von 1713 Art. XIV (Strupp I 348). Ebenso Art.17
des ersten Pariser Friedens vom 30. Mai 1814, der der Auswanderung
eine Frist von sechs Jahren zur Abwicklung ihrer Verhältnisse, ins-
besondere zum Verkauf ihres Grundbesitzes einräumte. Übereinstim-
mend Art.7 des zweiten Pariser Friedens vom 20.November 1815.
Spätere Verträge dagegen gestatten den auswandernden Einwohnern,
die ihre bisherige Staatsangehörigkeit sich bewahren wollten, aus-
drücklich die Beibehaltung des bisherigen Grundbesitzes in den abge-
tretenen Gebieten. So Art.6 des französisch-sardinischen Vertrages
vom 24.März 1860 (Fleischmann 62); Art.19 des Wiener Friedens
vom 30.Oktober 1864°). Ebenso auch der Frankfurter Frieden vom
10.Mai 1871 Art.2 Abs.1 (Fleischmann 100): „Den aus den abge-
tretenen Gebieten herstammenden, gegenwärtig in diesem Gebiete wohn-
haften Französischen Untertanen, welche beabsichtigen, die Franzö-
sische Nationalität zu behalten, steht bis zum 1.Oktober 1872 und
vermögo einer vorgängigen Erklärung an die zuständige Behörde die
Befugnis zu, ihren Wohnsitz nach Frankreich zu verlegen und sich
dort niederzulassen, ohne daß dieser Befugnis durch die Gesetze über
den Militärdienst Eintrag geschehen könnte, in welchem Falle ihnen
die Eigenschaft als Französische Bürger erhalten bleiben wird. Es
steht ihnen frei, ihren auf den mit Deutschland vereinigten Gebieten
belegenen Grundbesitz zu behalten 1°). Vgl. auch Art. XII des deutsch-
englischen Abkommens vom 1.Juli 1890 betreffend die Bewohner
von Helgoland (Koloniglblatt S.120). Dagegen freilich wieder der
Frieden zu Simonoseki von 1895 (Strupp II 124). Die Klausel findet
8) Vgl. Nys II24. — Nach Foccherini, Le successioni degli stati 1901
findet sich die Optionsklausel schon im Vertrag von Breda 1667. — Vgl. den
deutsch-französischen Vertrag über die Staatsangehörigkeit der auf den ausge-
tauschten Gebieten Äquatorial-Afrikas befindlichen Personen vom 2. Februar
1912 (R. G. Bl. 1912 S. 495). — Schönborn 39 spıicht (abweichend vom Text)
von einem erst in der Entwicklung begriffenen Gewobnbeitsrecht.
9) Vgl. über die Auslegung dieses Art.: Matzen, Die nordschleswigsche
Optantenfrage. 1904. Brandt in der Festgabe zum 28. Deutschen Juristentag
1906 und gegen ihn Matzen, Das Indigenatisrecht im Wiener Frieden. 1906. —
Preußisch-dänischer Vertrag vom 11. Januar 1907, nach dem die bisher staaten-
losen Optantenkinder in jedem der beiden Staaten auf ihren Antrag die Staate-
angehörigkeit erhalten sollen. Dazu Strupp 1238 Note].
10) Lepsius, Die elsaß-lothringische Optionsfrage. 1913.