8 13. Die völkerrechtliche Vertretungsbefugnia. 111
Kraft dieser seiner Stellung, ohne daß es einer besondern lir-
mächtigung bedarf, ist das Staatshaupt in allen völkerrechtlichen Be-
ziehungen der Vertreter seines Staates, die Verkörperung der Staats-
gewalt. Die Handlungen des Staatshauptes berechtigen und verpflich-
ten, innerhalb der durch die Verfassung etwa gezogenen Schranken,
völkerrechtlich den Staat; das Staatshaupt schließt die Verträge, erklärt
den Krieg, schickt und empfängt die Gesandten.
Es ist irreleitend, das Staatshaupt ohne weiteres als Träger der
Souveränität zu bezeichnen. Die Souveränität ist Eigenschaft der
Staatsgewalt und steht daher dem Staate selbst zu. Es ist völkerrecht-
lich durchaus gleichgültig, ob nach dem die Staatsverfassung beherr-
schenden Grundgedanken die Gesamtheit der Staatsbürger, also das
Volk selbst, Träger der souveränen Staatsgewalt ist, oder ob diese dem
Monarchen allein oder ob sie ihm und dem Volke zugeschrieben
wird. Maßgebend ist lediglich die Beantwortung der Frage, ob und
eventuell unter welchen Voraussetzungen und Einschränkungen das
Staatshaupt die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis besitzt. Über diese
Frage entscheidet allein die Staatsverfassung. Sie kann auch in der
Republik dem Präsidenten dieselbe Vertretungsbefugnis einräumen,
die das Staatshaupt einer unbeschränkten Monarchie „von Gottes Gna-
den“ für sich in Anspruch nimmt. Es ist daher falsch, wenn Jie herr-
schende Lehre ohne Rücksicht auf die konkrete Verfassung den Präsi-
denten eines Freistaates grundsätzlich anders behandeln will als den
Beherrscher eines monarchischen Staatswesens. Der Präsident Jer fran-
zösischen Republik besitzt die Vertretungsbefugnis, während sie dem
Präsidenten der schweizerischen Eidgenossenschaft nicht einge-
räumt ist!).
Die Frage wird von besonderer Wichtigkeit für die zusammen-
gesetzten Staatsgebilde. Der deutsche Kaiser ist nicht Träger der Sou-
veränität des Deutschen Reiches; wohl aber hat er nach $ 11 der Reichs-
verfassung (oben 8 6 Il 3) für das Reich die oberste völkerrechtliche
Vertretungsbefugnis, ist mithin das Staatshaupt im Deutschen Reich.
Die Vertretungsbefugnis kann durch die Staatsverfassung auch
einer Mehrheit von Personen übertragen werden; etwa einem Regent-
schaftsrat, einem Senat, der Volksvertretung (in der Schweiz hat sie
der Bundesrat); in diesem Falle genießen nicht die einzelnen Mit-
glieder dieser Körperschaft, wohl aber die Körperschaft als solche, die
dem Staatshaupt zukommenden, im nächsten Paragraphen behandelten,
besonderen Vorrechte.
2. Die sachliche Leitung des völkerrechtlichen Verkehrs liegt in den
Händen des Auswärtigen Amtes.
1) Vgl. Walther, Das Stastshaupt in den Republiken. 1907.