$ 15. Die Gesandten. 119
lichen Verkehr mit dem Empfangsstaat, und zwar nach allen Richtungen hin,
zu vertreten. Darin besteht sein „diplomatischer Charakter“.
Mit seiner Stellung ist ihm die völkerrechtliche Befugnis gegeben,
die Interessen seines Heimatstaates wie die der Staatsangehörigen und
Schutzgenossen desselben im Rahmen des Völkerrechts zu wahren,
während im übrigen seine Pflichten dem Absendestaate gegenüber (Ge-
horsam, Verschwiegenheit) sich durch innerstaatsrechtliche Grundsätze
bestimmen. Außerdem können ihm die konsularischen Befugnisse (unten
8 16 III) übertragen werden.
Als Verletzung des Völkerrechts erscheint jeder Versuch des Ge-
sandten, sich in die inneren Verhältnisse des Empfangsstaates ein-
zumengen. Und rechtswidriger Mißbrauch der Vertrauensstellung wäre
dia Verwendung geheimer Kundschafter.
V. Um seiner völkerrechtlichen Aufgabe 6enüge leisten zu können, Ist der
Gesandte befreit von der Staatsgewalt, also von der Befehls- und Zwangsgewalt
des Empfangsstaates; darin besteht seine sogenannte Exterritorlalität.
Die dem Gesandten selbst, dem „Chef der Mission‘‘, gewährte Exterri-
torialität erstreckt sich aber welter auch:
1. Auf die mit ihm lebenden Mitglieder seiner Familie;
2. Auf die Mitglieder der Gesandtschaft mit Einschluß der militärischen
und sonstigen technischen Attach6s, sowie auf die Familien dieser Personen;
8. Auf das Geschäftspersonal der Gesandtschaft (gens d’uniforme) wie
Sekretäre, Kanzlisten, Prediger (nicht aber auf deren Familien);
4. Auf die Dienerschgft (gens de livr6e), soweit diese Personen nicht etwa
Angehörige des Empfangsstaates sind.
Das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz ($8$ 18, 19) gibt die herr-
schendo Ansicht wieder. Noch weitergehend das Österreichische Hof-
dekret vom 2.September 1839 (K.Z. VI 66).
Die Befreiung von der Staatsgewalt des Empfangsstaates, die schon
von den Vorgängern des Grotius als Rechtssatz des Völkerrechts aufge-
stellt, seit Grotius aber trotz aller Widersprüche in der Wissenschaft und
trotz gelegentlicher Verletzung in der Übung der Staaten stets zu den
unantastbaren Grundlagen des Staatenverkehrs gerechnet worden ist,
ergibt sich unmittelbar aus der Souveränität der Staatsgewalt,
dio der Gesandte kraft seines „diplomatischen Charakters“ bei dem
Empfangsstaat persönlich vertritt (oben $7I). Sie allein sichert ihm
auch die Erfüllung der mit Zustimmung des Empfangsstaates von ihm
übernommenen Aufgaben. Es kann zugegeben werden, daß der Ausdruck
„Exterritorialität“ nicht glücklich gewählt ist und zu Mißverständ-
nissen Anlaß geben kann (vgl. unten VI 3). In der Tat aber bleibt der
Gesandte trotz des Aufenthaltes im fremden Staat den Gesetzen seines
Heimatlandes unterworfen, als hätte er dieses niemals verlassen. Er
steht nicht unter fremder Territorialgewalt, sondern trägt sein heimat-