Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

128 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes. 
1. Die rechtliche Grundlage dieser elgenartigen Stellung liegt, einerseits 
in dem Herkommen, anderseits in besonderen Verträgen (Kapitulationen), 
welche die christlichen Staaten nach dem Vorbilde Frankreichs mit den nicht- 
christlichen Staaten geschlossen haben. 
Die Grundlage bildet, abgesehen von dem Vertrag zwischen der 
Pforte und Venedig von 1479, der Vertrag von 1535 zwischen Franz I. 
und Soliman II. (Strupp I 11), dem eine Reihe von elf weiteren fran- 
zösisch-türkischen Verträgen bis zu dem heute noch geltenden Vertrag 
vom 28.Mai 1740 (Strupp 148) folgte. Nach türkischer Auffassung 
handelte es sich um einseitige, persönliche Gnadenbeweise des Sul- 
tans, die mit seinem Tode hinwegfielen. Erst 1740 wurde diese Auf- 
fassung aufgegeben. Der Vertrag von 1740 diente zugleich als Vorbild 
für die von der Türkei mit den übrigen europäischen Mächten in der 
Folgezeit geschlossenen Verträge, so auch für den preußisch-türkischen 
Freundschafts- und Handelsvertrag vom 22.März 1761 alten Stils 
(Fleischmann 253), dessen Bestimmungen durch die Verträge von 
1840 und 1862 auf den deutschen Zollverein und durch den deutsch- 
türkischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 
26. August 1890 (R.G.B1.1891 S.117) mit zahlreichen und wichtigen Er- 
weiterungen auf das Deutsche Reich ausgedehnt wurden. 
a) Diese Verträge galten bis vor kurzem noch für das Gesamtgebiet 
der Türkei. 
Zwar enthielt schon das 14. Protokoll des Pariser Vertrags vom 
25.März 1856 die Erklärung der Mächte, daß diese Verträge, „einem 
Zustando entsprechen, dem der gegenwärtige Vertrag (durch welchen 
die Türkei in die Völkerrechtsgemeinschaft aufgenommen wurde) ein 
Ende zu machen notwendig bestrebt sein muß“. Da aber die 1856 er- 
hoffte Reorganisation der türkischen Verwaltung ausblieb, wurden 
auch die Kapitulationen nicht beseitigt. Seitdem aber die Türkei in die 
Reihe der Verfassungsstaaten eingetreten ist, wurde die Beseitigung 
der konsularischen Gerichtsbarkeit wieder ernstlich in Erwägung ge- 
zogen. So ausdrücklich in dem österreichisch-türkischen Abkommen 
vom 26. Februar 1909 (Strupp II 27) und in dem italienisch-türkischen 
Friedensvertrag zu Lausanne vom 18. Oktober 1912. Im September 1914 
hat die Türkei mit Wirkung vom 1. Oktober die Kapitulationen einseitig 
für ihr gesamtes Gebiet aufgehoben. Die erste Anerkennung des dadurch 
geschaffenen Zustandes enthalten die deutsch-türkischen Rechtsver- 
träge vom 11.Januar 19173). 
3) Vgl. dazu v. Liszt, Jurist. Wochenschrift. 1917. S. 682. Über die Ver- 
handlungen der Türkei mit den Niederlanden vgl. Strupp, Orient S. 312 (aus 
dem niederländ. Orangebuch). |
	        
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