172 TI. Buch. Der völkerreohtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
ten haften an dem Staat als völkerrechtlichem Rechtssubjekt, nicht
an seinem Gebiet; sie werden daher durch Gebietsveränderungen nicht
berührt.
IL Entstehung oder Untergang eines Staates,
1. Bei Entstehung wie bei Untergang eines Staates Ist Rechtenachtolge
grundsätzlich ausgeschlossen.
Wenn durch Kolonisation auf bisher staatlosem . Gebiet oder
Losreißung einer Kolonie oder einer Provinz vom Mutterlande ein
neuer Staat entsteht, so wird er zwar durch die allgemeinen. Rechts-
sätze des Völkerrechts berechtigt und verpflichtet, hat sich im übrigen
aber seine Rechtstellung den übrigen Staaten gegenüber erst durch be-
sondere Vereinbarungen nach seinem Ermessen zu schaffen. Selbst-
verständlich. aber kann die Anerkennung des neuen Gliedes der Völker-
rechtsgemeinschaft durch die übrigen Staaten an die Bedingung ge-
knüpft werden, daß es die Verpflichtungen des Mutterlandes, z. B. be-
züglich der konsularischen Jurisdiktion, übernimmt. Dies ist auf dem
Berliner Kongreß von 1878 den neuen Balkanstaaten gegenüber in
mehrfacher Beziehung geschehen (vgl. oben $8 5 IV und 16 IV). Und
wenn ein Staat durch Eroberung zum Gebietsteil des siegreichen Staates
“wird, als völkerrechtliches Rechtssubjekt daher untergeht, so sind
damit alle Rechtsverhältnisse, in denen er zu anderen Staaten gestanden
hat, so auch alle mit anderen Staaten geschlossenen völkerrechtlichen
Verträge, erloschen. Sache der in ihren erworbenen Rechten bedrohten
dritten Staaten ist es, gegen die Eroberung Einspruch zu erheben und
so ihr Interesse zu wahren; ihr Stillschweigen gilt als Verzicht (oben
8 21 II 3). Sollte Belgien von einem anderen Staate einverleibt werden,
so wären damit alle von Belgien geschlossenen Verträge zerrissen; ins-
besondere wären auch die für die Neutralität Belgiens bezüglichen Ver-
pflichtungen der Garantiemächte beseitigt. Dagegen bleiben bei der
kriegerischen Besetzung feindlichen Gebietes die bestehenden Verträge
unberührt (unten $ 40 VI).
2. Bei Umgestaltung bestehender Staatengebilde kommt es darauf | an, ob
trotz der Umgestaltung die Persönlichkelt des früheren Staates oder der mehreren
früheren Staaten fortdauert. Ist das der Fall, so iritt Rechtsnachfolge elu.
Wenn sich der bisher einheitliche Staat in ‚mehrere Teile spaltet
(dismembratio), so bleiben die mit dem Einheitsstaat geschlossenen Ver-
oessioni degli stati etc. 1910. Cavaglieri, La dottrina della successione
di stato a stato e il suo valore giuridico. 1910. Descamps, R. G. XV 385.
Andr6ad2ds,R.G. XV 585. Michel, Die Einverleibung Frankfurts in den preußi-
schen Staat als Fall einer Staatensukzession. Marburger Diss. 1910. Schoen-
born, Staatensukzession (bei Stier-Somlo II2). 1913. F.F. Schmidt, Der
Übergang der Staatsschulden bei Gebietssbtretungen. 1913. Oppenheim I 126.
Nys1II28. Lippert (unten $31 Note 1) S. 253. — Über den Übergang des Kongo-
staates an Belgien vgl. Strupp II 94.