178 WU. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
auf deutschen Antrag die Haftung des Staates für „alle Handlungen, die
von den zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden Personen begangen
werden“, ausdrücklich ausgesprochen worden (unten $ 39 IV 4). Die
Haftung umfaßt Handlungen der Kriegführung (Beschießung von Ort-
schaften), wie gemeine Verbrechen (Raub, Sachbeschädigung); durch
angeordnete Vergeltungsmaßregeln wird die Ersatzpflicht nicht berührt.
Der Artikel gilt zunächst für den Landkrieg, ist aber (unten $ 41) auch
auf den Seekrieg anzuwenden ?).
Die Handlungen der Gerichte und der Verwaltungsbehörden sind,
da diesen Staatsorganen die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis man-
gelt, nicht Handlungen des Staates selbst, können daher den Staat
auch nur mittelbar verantwortlich machen (unten III).
TI. Der Staat ist mittelbares Deliktssubjekt bei allen übrigen auf seinem Ge-
biete gegen einen fremden Staat oder gegen fremde Staatsangehörige begangenen
schuldhaften, rechtswidrigen Handlungen, vorausgesetzt, daß er deren Hinde-
tung oder Bestrafung völkerrechtswidrig unterläßt.
1. Der Staat haftet für die auf seinem Gebiete begangenen Handlungen
ohne Unterschied, ob sie von seinen Staatsangehörigen oder ob sie von Staats-
fremden, von Privaten oder von Behörden, begangen werden.
Der Staat haftet, wenn die Handlungen von einzelnen Privat-
personen oder aber wenn sie von seinen Vertretungsorganen, jedoch
außerhalb ihrer Vertretungsbefugnis, oder wenn sie von seinen rein
innerstaatlichen Organen vorgenommen werden. Er haftet kraft seiner
Territorialgewalt auch für die von Staatsfremden auf seinem Gebiete
vorgenommenen Handlungen; er haftet aber eben darum nicht für die-
jenigen Handlungen, deren Täter exterritorial, also seiner Staatsgewalt
gar nicht unterworfen ist).
2. Der Staat haftet für diejenigen Handlungen, welche gegen den Inneren
und äußeren Bestand des fremden Staates, gegen die persönliche Unversehrt-
heit der fremdstaatlichen Vertretungsorgane, gegen die Hoheltszeichen des
fremden Staates oder aber auch nur gegen fremde Staatsangehörige oder Schutz-
genossen begangen sind.
Doch müssen diese Handlungen nicht nur objektiv rechtswidrig,
sondern von den sie begehenden Einzelpersonen auch schuldhaft,
d. h. vorsätzlich oder fahrlässig begangen sein. Daher haftet der Staat
für Entscheidungen und Verfügungen seiner Gerichte und Verwaltungs-
behörden nur dann, wenn sie als schuldhaftes Unrecht, als Rechts-
verweigerung, Rechtsverzögerung, Rechtsbeugung, Bedrückung usw. sich
darstellen. Entscheidungen oder Verfügungen, die objektiv und sub-
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2) Vgl. Hofer, Der Schadensersatz im Landkrieg (XII 1 der von Zorn und
Stier-Somlo herausgegebenen Abhandlungen). 1913,
3) Abweichend Triepel 339 Note 3. Vgl. auch Borchard, K. Z. V 510.