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darauf zurück, daß wir uns über eine Actio nondum nata nicht 1854
streiten und zunächst die Petersburger Antwort abwarten wollten. T
Graf Buol blieb aber dabei, daß er hierüber Beruhigung haben
müsse und solche auch vom Kaiser begehrt werden würde. Ich
versicherte, daß wir auch ohne contractliches Engagement doch
bessere und treuere Bundesgenossen sein würden, als Frank-
reich und England trotz allen Verträgen; dabei ist es aber ge-
blieben, ohne daß eine wechselseitige Befriedigung oder Ver-
ständigung eingetreten wäre. Ob die Allerhöchsten Herrschaften
sich noch von der Sache orientiren werden, weiß ich nicht,
wünsche es aber nicht.
Der Kaiser klagt besonders darüber, daß wir noch kein
militärisches Lebens-Zeichen von uns gegeben, worauf ich ihn
mit Darstellung der Landwehr-Einrichtung, Inaussichtstellung
von Pferde-Ankäufen u. s. w. zu beschwichtigen gesucht habe.
Im Allgemeinen geht Buol etwa von folgender Auffassung
aus: Als im J. 1828|29 die Russischen Uebergriffe gegen die
Pforte Statt fanden und Fürst Metternich sich zu schwach fühlte,
denselben entgegenzutreten, da gab er sich alle Mühe, Frank-
reich und England dagegen anzuregen, aber vergeblich, deshalb
das für die Türkei und den Oesterreichischen Einfluß und
deutschen Handel schmähliche Ende. Jetzt ist man glücklicher;
die Westmächte sind ins Geschäft gegangen, sie überzeugen sich
aber mehr und mehr, daß sie ohne Oesterreichs und Deutsch-
lands Hülfe nichts Wesentliches effectuiren können. Läßt man
sie nun ganz im Stiche, so riskirt man, daß sie der Sache
überdrüssig dieselbe ausgeben und dann Oesterreich nicht nur
die Nachtheile in der orientalischen Frage, sondern auch die
Rache Rußlands zu tragen hat, der Friede wird also auf Kosten
Oesterreichs und Deutschlands geschlossen. Rußland will wirk-
lich keine Territorial-Vergrößerung, es weiß, daß es schon zu
groß ist, aber es will ohne die Mühe des Gouvernirens den-
noch Herrschen durch Suprematie und Protectorat; dieses will
Aus Bismarcks Brieswechsel. 12