8 3. Geschichte des Völkerrechts. 13
3. In diese Zeit fällt die Entstehung und die erste Blütezeit der
völkerrechtlichen Wissenschaft.
Schon die Postglossatoren hatten einzelne Fragen des Völkerrechts
(neben der dem internationalen Privatrecht angehörigen Lehre von der
Statutenkollisiion) behandelt. Ihnen folgten die kirchenrechtlichen
Schriftsteller, die sich, von der augustinischen civitas dei ausgehend,
mit besonderer Vorliebe Erörterungen über Beschränkungen in der
Ausübung des Kriegsrechts widmeten. Die Handelsbeziehungen zu den
Ländern des Ostens veranlaßten verschiedene Aufzeichnungen des See-
gewohnheitsrechts, unter denen das Consolato del mar (aus dem
Ende des 13. Jahrhunderts stammend) für die Gebiete des mittellän-
dischen Meeres als der angesehenste coutumier die weiteste Verbreitung
fand. Unter den Schriftstellern des 16. Jahrhunderts verdienen — nach
de Vittoria (f 1546) und Belli (F 1575) — Albericus Gentilis
(f 1608; de legationibus 1585; Hauptwerk: De jure belli libri tres 1589)
und der spanische Theologe Suarez (f 1617) hervorgehoben zu
werden ?). | |
Aber der Einfluß der wissenschaftlichen Literatur des Völker-
rechts auf den tatsächlichen Staatenverkehr knüpft doch eigentlich erst
an den Namen des 1645 verstorbenen Niederländers Hugo Grotius
(de Groot), der zurzeit als Vorkämpfer der Meeresfreiheit (unten $ 26),
dann durch sein unter den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges und in
der durch sie hervorgerufenen Friedenssehnsucht geschriebenes Haupt-
werk: De jure belli ac pacis libri tres 1625 die bleibenden Grundlagen
für die Weiterentwicklung der jungen Wissenschaft legte. Eigentümlich
ist Grotius die Scheidung des positiven Rechts von dem: über diesem
stehender, von Zeit und Raum unabhängigen und unabänderlichen
Naturrecht, das Gott selbst zugleich mit der Menschennatur ge-
setzt hat. |
4. Den Abschluß dieser ersten Entwicklungsperiode des Völker-
rechts bildete der westfälische Frieden von 1648 (Strupp I 16),
das Ergebnis der ersten allgemeinen Beratung von Vertretern fast sämt-
licher europäischen Staaten. Die -Gleichberechtigung der christlichen
Staaten, ohne Unterschied der Konfession wie der Staatsform, und
damit dio Anerkennung der christlichen Staatengemeinschaft fand ihren
Ausdruck in dem „Prinzip des europäischen Gleichgewichts‘ oder
Systeme copartageant (anerkannt als justum potentiae aequilibrium
im Utrechter Frieden 1713; Strupp I 44)°). Die Unabhängigkeit der
2) Thamm, Alb. Gentilis und seine Bedeutung für das Völkerrecht. Würzb.
Diss. 1896. Nys, Le droit de la guerre et les pr&curseurs de Grotius. 1883.
Nys 1213. — Über Josse van Clickstove (f 1543) vgl. Nys, R.J. XLIII 601.
3) Donnadieu, La theorie de l’Equilibre. 1900. Haeber, Die Idee des
europäischen Gleichgewichts. 1907. Dupuis, Le principe d’6quilibre et le oon-