288 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
... 5) Oder in förmlicher Weise durch Abschluß und Ratifikation des Friedens-
vertrages.
2. Der Friedensvertrag steht unter denselben völkerrechtlichen Rechts-
regeln wie jeder andere Staatsvertrag.
Dies ‚gilt insbesondere von der Berechtigung des Staatsoberhauptes,
den von ihm beherrschten Staat zu binden (oben $ 14 I). Das in Kriegs-
gefangenschaft geratene Staatsoberhaupt kann einen verbindiichen Frie-
densvertrag schließen (oben 8 21 IV 6). Häufig geht dem eigentlichen
Friedensvertrag ein Präliminarfrieden voran. So bildeten die Versailler
Friedenspräliminarien vom 26.Februar 1871 die Grundlage für den
Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871; der Vorfrieden von San Stefano
vom 3.März 1878 die Grundlage für den Definitivfrieden zu Konstan-
tinopel vom 8 Februar 1879; der türkisch-griechische Präliminarfrieden
vom 18.Scptember 1897 die Grundlage für den definitiven Friedens-
vertrag vom 14. Dezember 1897. Die Bedeutung des Präliminarfrie-
dens liegt in der bindenden Festlegung der Grundlagen für den Definitiv-
frieden; neue Ansprüche des Siegers sind mithin ausgeschlossen, die
Zugeständnisse des Besiegten dürfen nicht widerrufen werden. Sind
dagegen die Kriegführenden damit einverstanden, so steht dem Ab-
schluß des Definitivfriedens auf neuer Grundlage nichts im Wege.
8. Die allgemeine und grundsätzliche Wirkung des Friedensschlusses ist
zunächst die Beendigung des Streites zwischen den Kriegführenden, die Er-
ledigung des casus belli, die Wiederherstellung der völkerrrechtlich geregelten
friedlichen Beziehungen; zugleich bewirkt der Friedensschluß, daß die durch
den Kriegszustand begründeten Rechte und Pflichten der Neutralen wieder hin-
wegfallen.
Insoweit also tritt der frühere Rechtszustand wieder in Kraft
(sogenanntes Postliminium). Die frühere Staatsgewalt übernimmt
die Leitung der Staatsgeschäfte in den vom Feinde besetzt gewesenen
Gebietsteilen; die Gefangenen werden frei; das „angeforderte“ beweg-
liche und unbewegliche Gut fällt an den Eigentümer zurück. Doch
behalten die nach Kriegsrecht erfolgten Rechtshandlungen ihre Rechts-
wirksamkeit. Und die durch den Krieg aufgehobenen Verträge treten,
von besonderen Vereinbarungen abgesehen, nicht wieder in Kraft (oben
8 22 V 3). Der Einwand des Besiegten, daß er durch Gewalt zum Ab-
schluß des Friedens gezwungen worden sei, ist ausgeschlossen; der
Gedanke der Revanche steht, wie schon Kant 1795 betont hat, im
Widerspruch zu dem innersten Wesen des Friedensvertrages. Das
gleiche gilt aber auch von der wirtschaftlichen Boykottierung des Geg-
ners nach der Beendigung des Waffenkrieges (darüber unten $& 44).
... 4. Der Friedensvertrag enthält aber häufig noch weitere besondere Ver-
einbarungen. Unter diesen sind zu erwähnen: