8 40. Die Rechtssätze des Landkriegsrechte. 293
sondern als gemeine Verbrechen nach dem maßgebenden Strafrecht oder Stand-
recht zu bestrafen.
Proklamation des Königs von Preußen vom 11. August 1870: „Ich
führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgern
Frankreichs. Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen
Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums zu genießen, und zwar
so lange, als sie mich nicht selbst durch feindliche Unternehmungen
gegen die deutschen Truppen des Rechtes berauben werden, ihnen
meinen Schutz angedeihen zu lassen.“
Die Abgrenzung der zur Kriegsmacht gehörenden Personen und der
friedlichen Bevölkerung, der jede Teilnahme an dem Waffenkampf ver-
sagt ist, war von jeher sehr bestritten und hat oft genug zu erbitterten
und verbitternden Auseinandersetzungen zwischen den Kriegführenden
Anlaß gegeben. Napoleon I. hat 1813 das Lützowsche Freikorps, ob-
wohl es staatlich organisiert war, nicht als Bestandteil der Kriegsmacht
anerkannt. Während des Deutsch-französischen Krieges waren es be-
sonders die nicht organisierten Franktireurs, deren Rechtsstellung
heftige Streitigkeiten verursachte. Keinem Zweifel unterliegt es, daß
Freischaren (‚‚Irreguläre“), die der regulären Kriegsmacht angegliedert
und unter deren Oberleitung gestellt sind, als Teile der Kriegs-
macht behandelt werden müssen. Daher hat die neuere Landesgesetz-
gebung auch den Landsturm der bewaffneten Macht organisch einge-
gliedert. Vgl. das deutsche Reichsgesetz über den Landsturm vom
12. Februar 1875 (R.G.Bl. S.63), sowie das an dessen Stelle getretene
Gesetz, betr. Änderungen der Wehrpflicht vom 11. Februar 1888
(R.G.Bl. S.11) 88 23 bis 34.
Einen Schritt weiter geht das vierte Haager Abkommen von 1907,
indem die ihm beigefügte Ordnung (Art.1) auch dienicht dem Heere
eingegliederten Milizen und Freiwilligenkorps zu den Kriegführen-
den rechnet, wenn sie eine gewisse militärische Organisation aufweisen ;
d.h. 1.wenn jemand an ihrer Spitze steht, der für das Verhalten seiner
Untergebenen verantwortlich ist; 2. wenn sie ein bestimmtes, aus der
Ferne erkennbares Abzeichen tragen; 3. die Waffen offen führen, und
4. bei ihrer Kriegführung die Kriegsgesetze und Kriegsgebräuche be-
obachten.
Besondere Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bezüglich der nicht
militärisch organisierten Bevölkerung, die sich zum Schutze des Vater-
landes gegen den herandrängenden Feind oder gegen die das Land
bereits besetzthaltende feindliche Kriegsmacht erhebt (die levee en
masse). Hier stehen sich die Vaterlandsliebe der Einwohner einerseits
und die Sicherheit der Heeresangehörigen wie der Kriegführung selbst in
schroffstem Gegensatz gegenüber. Das Haager Abkommen hat die Streit-
frage nur zum Teil entschieden, da zwischen den. Interessen der großen