8 40. Die Rechtesätze des Landkriegsrechte. 299
teidigung verlassen sein. Ob ein Platz verteidigt ist, muß als Tatfrage
bezeichnet werden, deren Entscheidung freilich im Einzelfall besondere
Schwierigkeiten bieten kann; Abwehrkanonen gegen Fliegerangriffe ge-
nügen nicht. Daß er Garnisonen oder Niederlagen von Kriegsmaterial
enthält oder einen wichtigen Knotenpunkt darstellt, genügt nicht; doch
ist die Beschießung militärischer Anlagen, auch wenn sie in unver-
teidigten Plätzen sich befinden, selbstverständlich gestattet (wichtig
für den Luftkrieg). Plätze, die zur Angriffs- oder Verteidigungsstellung
gehören, sind stets als verteidigt zu betrachten, auch wenn sie ge-
räumt sein sollten.
Durch die 1907 zugefügten Worte: „mit welchen Mitteln es auch
sei‘ wird auch die Beschießung aus Luftschiffen derselben Beschrän-
kung unterworfen. Vor Beginn der Beschießung soll der Befehlshaber,
den Fall eines Sturmangriffs ausgenommen, alles tun, was in seinen
Kräften steht, um die Ortsobrigkeit davon zu benachrichtigen. Bei Luft-
angriffen ist die Benachrichtigung nicht möglich, daher auch nicht er-
forderlich. Bei der Beschießung sollen alle erforderlichen Maßregeln
getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissen-
schaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude, die geschichtlichen
Denkmäler, sowie die Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke
und Verwundete soviel wie möglich zu schonen, vorausgesetzt, daß diese
Gebäude nicht zu militärischen Zwecken verwendet werden. Die Be-
lagerten haben diese Gebäude mit besonderen sichtbaren Zeichen zu
versehen und diese vorher dem Belagerer bekanntzugeben. Dagegen
braucht sich die Beschießung nicht auf die Festungswerke zu be-
schränken, sondern kann sich auf die ganze Stadt ausdehnen. YVgl.
Art.25 bis 27 der „Ordnung“.
Im ganzen entsprechen die Bestimmungen, die nur die mit der
Belagerung verbundene Beschießung, nicht aber den Luftangriff, im
Auge haben, der heutigen Kriegführung nicht mehr.
In die „Ordnung“ nicht aufgenommen worden sind die beiden fol-
genden, während des deutsch-französischen Krieges lebhaft besproche-
nen, auf die Belagerung sich beziehenden, Rechtsregeln:
a) Die friedlichen Einwohner der belagerten Stadt, insbesondere
die Kranken, die Frauen und Kinder haben keinen Rechtsanspruch
auf die Gewährung ungestörten Abzuges.
b) Die diplomatischen Vertreter neutraler Mächte, die sich in der
belagerten Stadt befinden, haben keinen Rechtsanspruch auf unüber-
wachten Verkehr mit ihren Absendestaaten.
6. Städte und Ansiedelungen, selbst wenn sie im Sturm genommen
eind, dürfen nicht der Plünderung preisgegeben werden. (Art.28 der
„Ordnung‘*).