314 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
mittelbar geschlossen werden können, ohne daß die Ratifikation durch
das Staatshaupt hinzuzutreten braucht (oben 813114). In diese Gruppe
gehören Vereinbarungen über die Beerdigung von Gefallenen nach der
Schlacht, über die Kapitulation von befestigten Plätzen, Schiffen oder
Truppenkörpern, über die Erteilung von Schutz- oder Geleitbriefen,
über die Räumung von Spitälern usw. Art.35 bestimmt in dieser Be-
ziehung, daß Kapitulationen den Forderungen der militärischen Ehre
Rechnung tragen und, einmal abgeschlossen, von beiden Teilen gewissen-
haft beobachtet werden sollen.
2. Zu den Kriegsverträgen gehört auch die Vereinbarung einer
vorübergehenden und nur für bestimmte Zwecke geschlossenen
Waffenruhe (suspension d’armes) oder eines für längere Zeit und
für den ganzen Kriegsschauplatz oder dessen größeren Teil geschlosse-
nen'Waffenstillstandes (armistice; vgl. Art. 36 bis 41). Wäh-
rend des Waffenstillstandes ruhen alle militärischen Unternehmungen.
Haben solche etwa, weil die Befehlshaber in Unkenntnis des Waffen-
stillstandes gelassen wurden, auf entfernteren Teilen des Kriegsschau-
platzes stattgefunden (Besetzungen von Plätzen, Gefangennahme von
Mannschaften usw.), so sind sie wieder rückgängig zu machen. Trotz
des Stillstandes der gegen den Gegner gerichteten kriegerischen Unter-
nehmungen dauert aber der Kriegszustand fort. Jeder Teil ist daher,
wenn nicht besondere Vereinbarungen im Wege stehen, zur Ausbil-
dung und Verstärkung seiner eigenen Kriegsmacht (Aushebung und
Einübung von Mannschaften, Herstellung von Kriegsbedarf, Ankauf von
Rohstoffen und Lebensmitteln, Ausrüstung von Kriegsschiffen usw.)
durchaus berechtigt.
Bruck des Waffenstillstandes durch einen oder mehrere Einzelne
verpflichtet nur zur Bestrafung des Schuldigen und Entschädi-
gung des verletzten Gegners; Bruch durch den Befehlshaber selbst
berechtigt den Gegner nicht nur zur Aufkündigung der Vereinbarung,
sondern sogar zum sofortigen Wiederbeginn der Feindseligkeiten.
3. Über den Friedensvertrag vgl. oben 8 39 VI.
$ 41. Die Rechtssätze des Seekriegsrechtes.?)
Eine vollständige Kodifikation, wie sie für den Landkrieg schon
1899 gelungen ist, fehlt. Die zweite Haager Konferenz hat nur durch
1) Vgl. die $ 3 Noten 32 und 33 angegebene Literatur. Ferner: Niemeyer,
Urkundenbuch zum Seekriegsrecht. 3 Bände 1911. Zweite Abteilung seines
im Erscheinen begriffenen Systems des internat. Seekriegsrechte. Hold v. Fer-
neck bei Stier-Somlo IV. 3. Abteilung (eingehende Erörterung der Londoner
Erklärung). Das vom Institut 1913 angenommene Manuel des lois de la guerre
maritime. — Auch die Literatur zu den beiden folgenden Paragraphen ist heran-
„zuziehen. — Rettioh, Prisenrecht und Flußschiffahrt 1892, Travers Twiß,