330 IV. Buoh. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
Der zweite und der dritte Absatz der Pariser Seerechtsdeklaration
von 1856 haben feindliches Gut unter neutraler Flagge und neutrales
Gut unter feindlicher Flagge für unverletzlich erklärt, damit aber die
Wegnahma von feindlichem Gut unter feindlicher Flagge wie der feind-
lichen Schiffe selbst aufs neue anerkannt. Gerade deshalb haben sich
auch die Vereinigten Staaten wie verschiedene andere Mächte ge-
weigert, der Deklaration beizutreten (oben S. 19). Bei dieser Rechts-
lage ist es bisher geblieben.
Zu Beginn des deutsch-französischen Krieges hatte eine Verord-
nung des Norddeutschen Bundes vom 18. Juli 1870 bestimmt (B.G.Bl.
S.485): „Französische Handelsschiffe sollen der Aufbringung und Weg-
nahme durch die Fahrzeuge der Bundes-Kriegsmarine nicht unterliegen.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf diejenigen Schiffe,
welche der Aufbringung und Wegnahme auch dann unterliegen
würden, wenn sie neutrale Schiffe wären.“ Da aber Frankreich am
21.Juli 1870 ‘erklärte, sich die Wegnahme vorbehalten zu wollen, und
da ferner französische Schiffe (die Desaix) deutschen Handelsschiffen
‚gegenüber das Völkerrecht verletzten, wurde die Bestimmung durch
Verordnung vom 19.Januar 1871 (B.G.Bl. S. 8) mit Wirkung vom
10. Februar ab wieder außer Kraft gesetzt. Tatsächlich wurden während
des Krieges 75 deutsche Schiffe von den französischen Kreuzern auf-
gebracht. Auch die Vereinigten Staaten haben in dem spanischen Krieg
von 1898 das Seebeuterecht ausgeübt, es auch in ihren Naval War Code.
aufgenommen; ebenso Rußland und Japan in dem Kriege von 1904/5.
Selbstverständlich kann die Anwendung des Prisenrechts gegen
feindliche Handelsschiffe durch Staatsverträge für immer oder für einen
bestimmten Krieg, ebenso wie durch die nationale Gesetzgebung un-
bedingt oder unter Voraussetzung der Gegenseitigkeit ausgeschlossen
werden. Vgl. den Vertrag Italiens mit den Vereinigten Staaten vom
26. Februar 1871 (N.R.G.2 s. 157, Niemeyer I 147) und das italienische
Seerechts-Gesetzbuch vom 25. Oktober 1877 Art. 211, 212 (Niemeyer I
150). Im Weltkrieg hat Italien diese Bestimmungen aufgehoben. Die
feindlichen Handelsschiffe wurden erst sequestriert, dann aber verkauft,
um aus dem Erlös die italienischen Staatsbürger zu entschädigen, die
durch gegnerische Verletzungen des Völkerrechts zu Schaden gekommen
waren.
Dio erste Friedenskonferenz hat sich mit dem Seebeuterecht nicht
näher befaßt; die zweite hat nach eingehender Beratung des von den
Vereinigten Staaten gestellten Antrages, die Unverletzlichkeit des Privat-
eigentums anzuerkennen, das Seebeuterecht beibehalten, aber in dem
sechsten und elften Abkommen gewisse Einschränkungen in seiner
Ausübung gebracht. Auf der Londoner Konferenz 1909 ist die Be-