$ 42. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte. 339
nete Neutralität), solange sie nicht angriffsweise gegen einen der
Kriegführenden vorgehen; und die Anbietung einer Vermittlung zwischen
den Streitteilen ist durch die Haager Konferenz zu einem guten Recht
eines jeden neutralen Staates geworden (oben 8 3812).
3. Den neutralen Mächten gegenüber haben die Kriegführenden sich
jeder Feindseligkeit zu enthalten. Es darf daher das Land- und Wasser-
gebiet der neutralen Staaten mit Einschluß der Küstengewässer sowie
der Luftraum oberhalb dieses Gebietes unter keinen Umständen, auch
nicht auf Grund eines etwa in Friedenszeiten abgeschlossenen Ver-
tragss, zum Schauplatz kriegerischer Operationen gemacht werden.
Trotz zahlreicher und schwerer Verletzungen dieses Grundsatzes im
Weltkrieg ist seine grundsätzliche Geltung von keiner Seite bestritten
worden. Die neutrale Rechtsstellung kommt auch den Staatsangehörigen
dieser Mächte zugute, die auf dem Gebiete des Kriegführenden sich auf-
halten (unten II3). Nur im Falle der Kriegsnotwendigkeit und nur in
seinen Gewässern darf der Kriegführende (gegen Entschädigung) auch
neutrale Schiffe zurückhalten, um die Verbreitung von Kriegsnach-
‘richten zu verhüten (arr&t de prince, auch wohl Generalembargo ge-
nannt), oder sie gegen Entschädigung für die Kriegführung verwenden
(jus angariae)?). Von diesem ausnahmsweise gegebenen Recht haben
dio Verbandsstaaten im Weltkrieg den Neutralen gegenüber seit 1917
ausgedehntesten Gebrauch gemacht. |
4. Der neutrale Staat darf keinen der Kriegführenden in der Füh-
rung des Krieges unterstützen oder behindern. Verletzung der Neu-
tralität wäre daher die Gewährung von Hilfstruppen oder Geldmitteln,
die Lieferung von Waffen oder anderm Kriegsbedarf durch die neu-
tralo Staatsgewalt, der Verkauf von Kriegsschiffen, die Gestattung der
Durchfuhr usw. Er darf für keinen von ihnen tatsächlich Partei er-
greifen, wenn er auch seine Neigung und Abneigung auszusprechen
durchaus berechtigt ist. Was er dem einen gewährt, darf er dem
andern nicht versagen.
Diese Pflicht trifft den Staat als solchen, nicht seine Untertanen.
Doch haftet der Staat unter gewissen Voraussetzungen für die von
diesen vorgenommenen Handlungen. Die Abgrenzung kann Schwierig-
keiten machen. Die massenhaften Lieferungen von Kriegsbedarf, durch
die die Vereinigten Staaten im Weltkrieg den Verbandsmächten die Fort-
2) Vgl. oben $ 121I 7. — Beide Maßregeln stehen als Kriegsnotrecht nur
dem Kriegführenden zu. Rechtswidrig war daher die Beschlagnahme deutscher
Schiffe durch das damals noch neutrale Portugal im Februar 1916 (oben 8, 37). —
Über die Versenkung der sechs englischen Kohlenschiffe in der Seinemündung
im Dezember 1870 vgl. H. V. IV 101, 772. Perels (oben $26 Note 1) 222. —
Das Wort Angarie stammt aus dem Griechischen und bezeichnet ursprünglich
die dienstpflichtigen berittenen Eilboten des Perserreichs,.
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