Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

22 Einleitung. 
lands wurde die Verständigung mit der Pforte vorbehalten (1881 er- 
hielt Griechenland Thessalien sowie einen kleinen Teil von Epirus). 
Österreich-Ungarn erhielt, auf Grund der geheimen Vereinbarungen 
mit Rußland vom 26.Juni 1876 (Reichstadt) und 6.März 1877, das 
Mandat zur Besetzung und Verwaltung von Bosnien und der Her- 
zegowina (Artikel 25); zur Durchführung seines Besatzungsrechtes 
im Sandschak Novibazar schloß es mit der Türkei das Abkommen vom 
21. April 1879 (Strupp Orient 166; vgl unten S.00). Montenegro, 
das seine Selbständigkeit längst und mit Erfolg behauptet hatte, wurde 
als unabhängiger Staat anerkannt; es erhielt Antivari und dessen Küsten- 
gebiet, wurde aber hier in der Ausübung seiner Staatsgewalt wesent- 
lich beschränkt: es durfte keine Kriegsschiffe halten, mußte die hier 
gelegenen Festungen schleifen, sich der Seegesetzgebung Österreichs 
anschließen, dessen Seepolizei dulden und Österreich-Ungarn das Durch- 
zugsrecht durch dieses Gebiet gestatten (vgl. unten S. 34). Serbien 
und Rumänien, bis dahin halbsouveräne Staaten unter türkischer 
Oberherrlichkeit, wurdem jetzt in ihrer Selbständigkeit anerkannt. Sie 
übernahmen einen entsprechenden Teil der türkischen Staatsschuld 
(freilich, ohne ihn zu bezahlen) und verpflichteten sich, die volle Gleich- 
stellung aller Religionen und Konfessionen durchzuführen. Die Frage 
der konsularischen Gerichtsbarkeit wurde späteren Vereinbarungen vor- 
behalten. Rumänien mußte Bessarabien an Rußland abtreten, das 
dadurch wieder an die Donaumündungen (Kiliaarm) rückte, und er- 
hielt dafür die Dobrudscha. 
Der Vertrag befaßte sich ferner mit der Donauschiffahrt (unten 
8 27 II), regelte die russischen Erwerbungen in Kleinasien und ver- 
pflichtete in dem Art.61 die Türkei, für die Einführung von Reformen 
in den von den christlichen Armeniern bewohnten Provinzen und für 
deren Sicherheit gegen Tscherkessen und Kurden zu sorgen. Art.62 ist 
der Durchführung der religiösen Freiheit in der Türkei und dem Schutz- 
recht der christlichen Mächte über ihre Angehörigen geistlichen Stan- 
des gewidmet. 
Im großen und ganzen haben die auf die orientalische Frage be- 
züglichen Abmachungen der Mächte hingereicht, um bis ins zwanzigste 
Jahrhundert hinein den Frieden zu bewahren, trotz der Eifersucht nicht 
nur der Großmächte, sondern vor allem der in buntem Gewirr die 
Balkanhalbinsel bewohnenden Nationalitäten. Auch während des Auf- 
standes von Kreta und des griechisch-türkischen Krieges von 1897 er- 
hielt sich, wenigstens äußerlich, die Einigkeit der Mächte, obwohl (März 
1898) Deutschland und Österreich-Ungarn aus dem europäischen Kon- 
zert sich zurückzogen. Durch den Friedensschluß (Vorfriede vom 
18. September, definitiver Friede vom 4. Dezember 1897 bei Strupp 
Orient 219) verlor Griechenland einen Teil der 1881 gemachten Er-
	        
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