354 IV. Buch. Die Erledigung der Stastenstreitigkeiten.
Das Recht zur warnungslosen Versenkung neutraler
Prisen ist im Weltkrieg vielfach erörtert worden. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß die Versenkung nach den Regeln des Kreuzer-
krieges nur in dem oben erwähnten Ausnahmefall und unter den
dort erwähnten Vorsichtsmaßregeln zulässig ist. Ebenso zweifellos
ist es aber, daß im Tauchbootkrieg jener Ausnahmefall die Regel
bilden und die Rettung der Besatzung wie der Schiffspapiere nicht
immer möglich sein wird. Unrichtig aber wäre es, daraus die Un-
zulässigkeit der Tauchbootwaffe im Kampfe gegen die Zuführung
von Kriegskonterbande ableiten zu wollen. Denn diese Waffe war
den Signatarmächten von 1899 und 1907 genau bekannt; trotzdem
haben sie keinerlei Verbotsvorschriften für nötig erachtet.
Es darf ferner nicht vergessen werden, daß, nachdem die Lon-
doner Erklärung im Weltkrieg nicht zur Anwendung kommt, jeder
Kriegführende, bei dem Fehlen eines Gewohnheitsrechtes, die Frei-
heit der Entschließung zurückgewonnen hat. Dazu kommt weiter die
Erwägung, daß die Abgrenzung des Sperrgebietes den neutralen Mächten
ausnahmslos rechtzeitig bekanntgegeben war, so daß bei Befahrung
der Gefahrzone die Gefahr den Befahrenden trifft (oben $411116). Bei
den deutschen Sperrungen ist endlich in Betracht zu ziehen, daß
jede von ihnen eine Repressalie gegen gleichartige englische Maß-
regeln war 2).
b) Das nehmende Kriegsschiff hat, von den eben besprochenen
Ausnahmefällen abgesehen, die Prise vor das nationale Prisengericht
zu stellen. Soweit das Verfahren nach dem nationalen Recht des
Nehmestaates als Reklameprozeß gestaltet, d. h. dem Eigentümer des
weggenommenen Schiffs der negative Beweis der Unschuld aufgebürdet
ist, sind diese Bestimmungen durch die Erklärung von 1909 geändert.
Nach dieser hat die nehmende Macht den Beweis der Schuld zu erbringen
(unten 843) Wird die Beschlagnahme des Schiffs oder der Waren von
dem Prisengericht nicht bestätigt, oder wird sie ohne gerichtliches Ver-
fahren im Verwaltungswege aufgehoben, so haben die Beteiligten An-
spruch auf Schadensersatz, es sei denn, daß ausreichende Gründe für
die Beschlagnahme vorgelegen haben (Art.64 von 1909).
Gegen die Entscheidung des nationalen Prisengerichts steht der
Rekurs an den internationalen Prisenhof offen (unten $ 43).
c) Die neutrale Prise wird frei, wenn sie entkommt oder dem
aufbringenden Kriegsschiff wieder weggenommen wird. Sie wird nicht
18) Vgl. oben $ 41 Note 10). — Hold v. Ferneck 1%. Trautmann,
L.A. XXVI 513. — Mit der Rechtswidrigkeit der Versenkung entfällt auch die Ent-
schädigungspflicht; doch sprechen Billigkeitagrüände dafür, Entschädigung zu ge-
währen. '