Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

$ 3. Geschichte des Völkerrechts. 23 
werbungen, während seine Finanzverwaltung unter die Kontrolle der 
Großmächto kam; Kreta erhielt in der Verfassung vom 29. April 1899 
die Stellung eines halbsouveränen Staates unter türkischer Oberhoheit 
und ist in dieser trotz wiederholter Aufstände bis 1912 (unten S.35) 
verblieben!2). Durch das österreichisch-russische Einvernehmen (die 
sogenannte Petersburger Entente) von 1897 (erneuert in dem Mürz- 
steger Programm vom 2.Oktober 1903) und durch die Vereinbarungen 
von Österreich-Ungarn und Italien über die albanische Frage wurde 
die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes bis zum Jahre 1908 
gesichert 3). 
2. Dreibund und Zweibund. Die äußeren Beziehungen der Staaten 
zueinander wurden noch 1878 beherrscht durch die Friedenspolitik 
des ersten deutschen Reichskanzlers: am 7. Oktober 1879 wurde das 
Bündnis mit Österreich unterzeichnet, das einem russischen’ 
Angriffskrieg gegenüber beide Mächte zu gemeinsamer Kriegführung 
mit gesamter Heeresmacht verpflichtete!4). Kurz darauf wurde der 
geheime deutsch-russische Vertrag von 1884 (der sogenannte Rückver- 
sicherungsvertrag) abgeschlossen, den Bismarcks Nachfolger (1890) 
nicht wieder erneuerte. Italien hatte bereits am 20. Mai 1882, veran- 
laßt durch Frankreichs Vorgehen in Tunis, Bündnisse mit den Zentral- 
mächten abgeschlossen. Aber erst im März 1887 kam es zum Abschluß 
des einheitlichen Vertrages, der den Dreibund begründete Der 
Vertrag ist seither wiederholt (1891, 1902), zuletzt am 5. Dezember 
1912 (mit Dauer’ bis zum 8. Juli 1920) erneuert worden. Am 4. Mai 
1915 hat Italien ihn Österreich-Ungarn gegenüber gekündigt und bald 
darauf (23.Mai) der Donaumonarchie, ein Jahr später (26. August 
1916) auch seinem zweiten Bundesgenossen den Krieg erklärt!5). Ru- 
12) N.R.G.2 s. XXVIIO 630, XXX 26. — Über Kreta: De Stieglitz, 
L’ile de Cröte, le blocus pacifique et le plöbiscite international. 1899. Streit, 
R. G. IV 61, 446; VII 5, 301; X 222, 345. Couturier, La situation de la Cr&te 
au point de vue du droit internat. 1900. Wunsch, Der öffentliche Rechts. 
zustand auf der Insel Kreta. Münstersche Diss. 1908. 
13) Literatur über die mazedonische Frage bei Rougier, R.G. XI 180 
Note 2, dazu Leroy, La question macödonienne. 1905. 
14) Der Wortlaut wurde zunächst geheimgehalten, dann aber, als die Be- 
ziehungen zu Rußland sich zuspitzten, am 3. Februar 1888 gleichzeitig vom 
Deutschen Reichsanzeiger, der Wiener Abendpost und dem Pester Lloyd ver- 
öffentlicht. 
15) Auch der Dreibundvertrag ist geheimgehalten worden. Erst während 
des Krieges wurden einzelne Artikel (I, III, IV, VII im zweiten österr.-ungari- 
schen Rotbuch) in mangelhafter deutscher Übersetzung bekannt gegeben. Art. III 
lautete: „Wenn ein oder zwei der vertragschließenden Teile ohne eine von ihrer 
Seite erfolgte direkte Provokation angegriffen und sich im Kriege mit zwei oder 
mehreren den Vertrag nicht unterfertigenden Großmächten befinden würden, wird 
der casus foederis sich gleichzeitig für alle vertragschließenden Teile ergeben.“
	        
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