Vertrag zwischen Preußen usw. und der Türkei vom 30. März 1856. 373
die Lage derselben ohne Unterschied der Religion oder der Abstammung ver-
bessernd, seine grossmüthigen Gesinnungen gegen die christliche Bevölkerung
des Reiohs beweist, so hat er beschlossen, den gedachten Firman, welcher ein
freier Ausfluss seines souverainen Willens ist, den kontrahirenden Mächten mit-
zutheilen, um einen neuen Beweis seiner desfallsigen Gesinnungen zu geben.
Die kontrahirenden Mächte konstatiren den hohen Werth dieser Mit-
theilung. Es ist wohl verstanden, dass dieselbe in keinem Falle den genannten
Mächten das Recht geben kann, sich, sei es kollektiv oder einzeln, in die Be-
ziehungen Sr. Majestät des Sultans zu seinen Unterthanen, noch in die innere
Verwaltung seines Reiches einzumischen,
Art. 10. Der Vertrag vom 13. Juli 1841, welcher die alte Regel des Otto-
manischen Reiches betreffs der Schliessung der Meerengen des Bosporus und der
Dardanellen aufrecht erhält, ist gemeinschaftlich revidirt worden.
Der in dieser Beziehung und diesem Prinzip gemäss zwischen den hohen
kontrahirenden Parteien abgeschlossene Akt ist und bleibt dem gegenwärtigen
Vertrag annexirt und wird die nämliche Kraft und den nämlichen Werth haben,
als wenn er in denselben vollständig aufgenommen wäre.
Art. 11. Das Schwarze Meer ist neutralisirtt. Der Handelsmarine aller
Nationen geöffnet, sind seine Gewässer und Häfen förmlich und auf ewig den
Kriegsflaggen der Uferstaaten sowohl, als aller anderen Mächte untersagt, die
in den Art. 14. und 19 des gegenwärtigen Vertrages erwähnten Ausnahmefälle
ausgenommen.
Art. 12. Frei von aller Beschrä wird der Handel in den Häfen und
Gewässern des Schwarzen Meeres nur den undheits-, Zoll- und Polizei-Verord-
nungen unterworfen sein, die in einem der Entwickelung der Handelsbeziehungen
günsti Geiste abgefasst werden.
m den Handels- und Schiffahrts-Interessen aller Nationen die wünschens-
werthe Sicherheit zu geben, werden Russland und die hohe Pforte in allen ihren
im Uferbezirk des Schwarzen Meeres gelegenen Häfen, den Prinzipien des inter-
nationalen Rechtes gemäss, Konsuln zulassen.
Art. 13. Da das Schwarze Meer dem Wortlaute des Art. 11 gemäss neu-
tralisirt ist, so ist die Aufrechterhaltung oder Errichtung von militairisch-mari-
timen Arsenalen in dessen Uferbezirk unnöthig und zwecklos. Se. Majestät der
Kaiser aller Reussen und Se. Kaiserliche Majestät der Sultan verpflichten sich
deshalb, auf diesem Littorale kein militärisch-maritimes Arsenal zu errichten
oder zu behalten.
Art. 14. Nachdem Ihre Majestäten der Kaiser aller Reussen und der Sultan
eine Konvention abgeschlossen haben, um die Stärke und Zahl der leichten, zum
Dienste ihrer Küsten nothwendigen Schiffe zu bestimmen, deren Unterhaltung
im Schwarzen Meere sie sich vorbehalten, so ist diese Konvention dem gegen-
wärtigen Vertrage annexirt worden und wird die nämliche Kraft und den näm-
lichen Werth haben, als wenn sie in denselben vollständig aufgenommen wäre.
Sie kann ohne die Zustimmung der Mächte, Unterzeichner des gegenwärtigen
Vertrages, weder annullirt, noch modifizirt werden.
Art. 15. Nachdem die Wiener Kongress-Akte die Prinzipien festgestellt
hat, welche die Schiffahrt auf den mehrere Staaten trennenden oder durch-
strömenden Flüssen regeln, so verabreden die kontrahirenden Mächte, dass
diese Prinzipien in Zukunft ebenfalls auf die Donau und ihre Mündungen an-
gewandt werden. .Sie erklären, dass diese Disposition zukünftig einen Theil
öffentlichen Europäischen Rechts ausmacht, und sie stellen dieselbe unter
ihre Garantie.
Die Schiffahrt auf der Donau kann keiner Beschränkung oder Abgabe
unterworfen werden, die nicht ausdrücklich in den in den folgenden Artikeln
enthaltenen Stipulationen vorgesehen sind. In Folge dessen wird keine Abgabe
erhoben werden können, die sich einzig und allein auf die Thatsache der Be-
schiffung des Flusses stützt, noch irgend ein Zoll auf die an Bord der Schiffe be-
findlichen Weaaren. Die Polizei- und Quarantaine-Reglements zur Sicherheit
der Staaten, die dieser Fluss trennt oder durchströmt, werden derart abgefasst
sein, dass sie die Cirkulation der Schiffe so viel als thunlich begünstigen. Ausser