8 8. Geschichte des Völkerrechts. 25
mächte. Die belgische Kongogesellschaft begründete ihre bis tief ins
Herz Afrikas hineinreichende Herrschaft; die Berliner Kongokonferenz
vom 15.November 1884 bis Februar 1885 (Schlußakte vom 26. Februar
1885; s. Anhang)!”) trat den übertriebenen Ansprüchen Englands (eng-
lisch-portugiesischer Vertrag vom 2.Februar 1884) im Kongobecken
entgegen, anerkannte den unabhängigen Kongostaat (König Leopold I.)
und vereinbarte die Handelsfreiheit in dem gesamten Kongobecken;
zugleich wurden Rechtsregeln über den Erwerb der Gebietshoheit an
den Küsten Afrikas aufgestellt (unten $ 10 III). Unverrückt behielt Eng-
land sein großes afrikanisches Ziel im Auge: durch die Verbindung
seiner nord- und südafrikanischen Besitzungen alle übrigen Neben-
buhler aus dem Felde zu schlagen. Die Eroberung des seit 1885 unab-
hängigen Sudan (1899) brachte es diesem Ziele wesentlich näher !®).
Interessanter noch gestaltete sich das Vordringen der Mächte in
Asien. Rußland erwarb Merw (1884) und rückte immer näher. an
die Grenzen von Persien und Afghanistan. England eroberte Birma
(1886) und Frankreich vervollständigte sein großes hinterindisches
Kolonialreich durch die Erwerbung von Tonking (1883) sowie durch
seine Schutzherrschaft über Anam und Kambodja. Bald aber sollten
den europäischen Mächten gefährliche Rivalen entgegentreten. Der
chinesisch-japanische Krieg von 1894 (Frieden zu Simonoseki
vom 17.April 1895 bei Strupp II 124) führte Japan nicht nur als
vollberechtigtes Glied in den Kreis der Völkerrechtsgemeinschaft (oben
S.3), sondern sicherte ihm zugleich, obwohl es durch die unfreund-
liche Haltung von Rußland, Frankreich und Deutschland zur Aufgabe
von Korea und der Halbinsel Liaotung genötigt wurde, seine Stelle
unter den Weltmächten und die Erwerbung von Formosa. Im spa-
17) Sie ist unterzeichnet von Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien,
Dänemark, Spenien, den Vereinigten Staaten von Amerika (von diesen aber
nicht ratifiziert), Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Portu-
gal, Rußland, Schweden und Norwegen sowie der Türkei. Beigetreten sind der
Kongostaat und Zanzibar. — Vgl. N.R.G.2. s. X 199. Arbeiten über L’acte
generale de la Conference de Berlin von Gooris und von Robolsky, beide
1885. Pierantoni, Il trattato di Berlino del 1885 e lo stato independente
del Congo. 1898. -
18) Vgl. unten $ 8 Note 4. — Über Ägypten: Blanchard, R. G. X. 169.
Cocheris, Situation internat. de l’Egypte et du Soudan. 1903. v. Grünau,
Die staste- und völkerrechtliche Stellung Ägyptens. 1903. De Freycinet,
La question d’Egypte. 1005. Engelhardt, R.J. XXIV 345. Jaray, R.J.
XXXVI 407. Sayur, Grundzüge des ägyptischen Stastsrechtse. 1909. v. Dun-
gern, Das Stasterecht Ägyptens. 1911. Derselbe, L. A. XXVIII 522 (über
den Sudan). v. Mayer, Die völkerrechtliche Stellung Ägyptens. 1914. Win-
terer, Ägypten. Seine staats- und völkerrechtliche Stellung. 1915. — Das ägyp-
tisch-englische Sudanabkommen (abgedruckt bei Strupp Orient227) halten
Strupp, v. Mayer, Winterer für ungültig; sie übersehen dabei die recht-
erzeugende Macht der Tatsachen.