$ 3. Geschichte des Völkerrechte. 31
sich die Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen in Tibet,
mit Ausschluß aller anderen Mächte, zu sichern verstanden. In dem
Vertrag mit Rußland vom 31. August 19073°) verzichtete es auf die
weitblickenden Pläne Lord Curzons in Tibet; Persien wurde in zwei
Teile geteilt, deren nördlicher in die russische, deren südlicher in die
englische Interessensphäre fallen soll (daneben behält England seine
Vormachtstellung. im persischen Golf); Afghanistan gehört nach
dem Vertrag vollständig in das Gebiet des englischen Einflusses.
Zu erwähnen wären ferner an dieser Stelle die Verträge Siams
mit Frankreich vom 23. März 1907 und mit Großbritannien vom iO. März
1909, die beiden Mächten neue Gebietserwerbungen brachten °!).
3. Die zweite Haager Friedenskonferenz. Der zwischen Großbritan-
nıen und Frankreich am 14, Oktober 1903 abgeschlossene Schieds-
vertrag (Fleischmann 340) hat den Anstoß für den Abschluß einer
ganzen Reihe von meist identischen Verträgen zwischen den verschie-
denen Staaten gegeben. Die neue Genfer Konvention vom 6.Juli
1906 (s. Anhang) brachte eine wichtige Weiterbildung der Verein-
barungen von 1864 und 1899. Am 15. Juni 1907 trat die zweiteFrie-
denskonferenz im Haag zusammen. Die Anregung war von
den Vereinigten Staaten ausgegangen und von Rußland aufgenommen
worden. Außer den 27 Staaten (nach Trennung von Schweden und
Norwegen), die an der ersten Konferenz teilgenommen hatten (oben
S.27), waren auch von den 19 damals nicht geladenen süd- und mittel-
amerikanischen Staaten 17, insgesamt also 44 Staaten, vertreten. Es
fehlten Liechtenstein, Monaco, San Marino, Honduras, Costarica, Korea,
Afghanistan, der Kongostaat, Abessinien, Liberia und Marokko. Das
Programm der russischen Regierung umfaßte die Revision der drei
Konventionen von 1899 sowie das Seekriegsrecht. Die Beratungen
dauerten bis zum 18. Oktober 1907. Die umfangreichen, aber wenig
gelungenen Ergebnisse (3. Anhang) sind in der Schlußakte von
diesem Tage zusammengefaßt. Sie umfassen zunächst 13 Abkom-
kommen (Konventionen) und eine Erklärung, und zwar: 1. Betref-
fend die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle. 2. Betreffend
die Einschränkung der Anwendung von Gewalt bei der Eintrei-
bung von Vertragsschulden. 3. Über den Beginn der Feindseligkeiten.
4. Betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs. 5. Betref-
fend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen
im Falle eines Landkrieges. 6. Über die Behandlung der feind-
lichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feindseligkeiten. 7. Über
30) Strupp II191; N.R.G. 3. s. I8.
31) Mueller, K. Z. II 376. Vgl. dazu Regelsperger, R. G. XV 24.
N.R.G. 3.s. 11 683.