444 Schlußakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899.
Art.15. Die Hülfsgesellschaften für Kriegsgefangene, die ordnungsmässig
nach den Gesetzen ilıres Landes gebildet worden sind und den Zweck verfolgen,
die Vermitteler der mildthätigen Nächstenhülfe zu sein, empfangen von den
Kriegsparteien für sich und ihre ordnungsmässig bevollmächtigten Agenten jede
Erleichterung innerhalb der durch die militärischen Massnahmen und die Ver-
waltungsvorschriften gezogenen Grenzen, um ihre menschenfreundlichen Be-
strebungen wirksam ausführen zu können.
Die Bevollmächtigten dieser Hülfsgesellschaften können die Erlaubniss
erhalten, unter die Gefangenen an ihrem Aufenthaltsorte, sowie unter die in die
Heimath zurückkehrenden Kriegsgefangenen an ihren Rastorten Liebesgaben
auszutheilen. Sie gebrauchen hierzu eine persönliche, von der Militärbehörde
ausgestellte Erlaubniss, auch müssen sie sich schriftlich verpflichten, sich allen
Ordnungs- und Polizeimassnahmen, die diese Behörde anordnen sollte, zu fügen.
Art. 16. Die Auskunftstellen geniessen Portofreiheit. Briefe, Postanweisun-
gen, Geldsendungen und Postpackete, die für die Kriegsgefangenen bestimmt
sind oder von ibnen abgesandt werden, sind sowohl im de der Aufgabe, als
auch im Bestimmungsland und in den Zwischenländern von allen Postgebühren
befreit.
Liebesgaben für Kriegsgefangene sind von allen Eingangszöllen und anderen
Gebühren, sowie von den Frachtkosten auf Staatseisenbahnon befreit.
Art.17. Kriegsgefangene Offiziere können den ihnen in dieser Lage nach
den Vorschriften ihres Landes zukommenden Sold erhalten; ihre Regierung hat
ihn zurückzuerstatten.
Art.18. Den Kriegsgefangenen wird in der Ausübung ihrer Religion und
in der Theilnahme am Gottesdienste volle Freiheit gelassen, unter der einzigen
Bedingung, dass sie sich den Ordnungs- und Polizeivorschriften der Militär-
behörde fügen.
Art.19. Für die Annahme oder Errichtung von Testamenten der Kriegs-
gefangenen gelten dieselben Bedingungen, wie für die Militärpersonen des eigenen
Heeres.
Das Gleiche gilt für die Sterbeurkunden sowie für die Beerdigung von Kriegs-
gefangenen, wobei deren Dienstgrad und Rang zu berücksichtigen ist.
Art.20. Nach dem Friedensschlusse sollen die Kriegsgefangenen binnen
kürzester Frist in ihre Heimath entlassen werden.
Drittes Kapitel. Kranke und Verwundete.
Art.21. Die Pflichten der Kriegsparteien in Ansehung der Pflege der Kran-
ken und Verwundeten sind durch die Genfer Konvention vom 22. August 1864
festgesetzt, unter Vorbehalt der Abänderungen, denen diese etwa unterworfen
wird.
Zweiter Abschnitt. Feindseligkeiten.
Erstes Kapitel. Mittel zur Schädigung des Feindes, Belagerungen und Bombardements.
Art.22. Die Kriegsparteien haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl
der Mittel zur Schädigung des Feindes.
Art.23. Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten,
ist namentlich untersagt: "
a) die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen,
b) die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feind-
lichen Staates oder des feindlichen Heeres, '
c) die Tödtung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehr-
losen Feindes, der sich auf Gnade oder Ungnade ergiebt,
d) die Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird,
e) der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind,
’ ‚unnöthiger Weise Leiden zu verursachen,
f) der Missbrauch der Parlamentärflagge, der Nationalflagge oder der
militärischen Abzeichen und der Uniform des Feindes, sowie der beson-
deren Abzeichen der Genfer Konvention,
g) die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigenthums, es sei denn, dass
die Gebote des Krieges dies dringend erheischen.