446 Schlußakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899.
Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die
Feindseligkeiten wieder aufnehmen, jedoch unter der Voraussetzung, dass der
Feind, gemäss den Bedingungen des Waffenstillstandes, rechtzeitig benach-
richtigt wird.
Art.37. Der Waffenstillstand kann ein allgemeiner oder ein örtlich be-
ter sein ; der erstere unterbricht die Kriegsunternehmungen der kriegführenden
Staaten allenthalben, der letztere nur für bestimmte Theile der kriegführenden
Heere und innerhalb eines bestimmten Gebiets.
Art.38. Der Waffenstillstand muss in aller Form und rechtzeitig den zu-
ständigen Behörden und den Truppen mitgetheilt werden. Sofort nach Mit-
theilung oder zu einem bestimmten Zeitpunkte sind die Feindseligkeiten ein-
zustellen.
Art. 39. Es ist Sache der vertragschliessenden Parteien, in den Bedingungen
des Waffenstillstandes festzusetzen, welche Beziehungen sie auf dem Kriegsschau-
platz unter einander und mit der Bevölkerung unterhalten können.
Art.40. Jede schwere Verletzung der Bedingungen des Waffenstillstandes
durch eine der Parteien giebt der anderen das Recht, ihn zu kündigen, und in
dringenden Fällen sogar das Recht, die Feindseligkeiten sofort wieder aufzu-
nehmen.
Art.4l. Die Verletzung der Bedin en des Waffenstillstandes durch
Privatpersonen, die aus eigenem Antriebe handeln, giebt nur das Recht, die Be-
strafung der Schuldigen und gegebenen Falles eine Entschädigung für den erlittenen
Schaden zu fordern.
Dritter Abschnitt. Militärische Gewalt auf besetztem feindlichen
Gebiete.
Art.42. Ein Gebiet gilt als besetzt, wenn es thatsächlich in der Gewalt
des feindlichen Heeres steht.
Die Besetzung erstreckt sich nur auf die Gebiete, wo diese Gewalt her-
gestellt ist und ausgeübt werden kann.
Art.43. Nachdem die gesetzmässige Gewalt thatsächlioh in die Hände
des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle ihm zu Gebote stehenden Mass-
nahmen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentiche Ordnung und Sicherheit
wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, und zwar unter Berücksichti
der Landesgesetze, sofern keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen.
Art. 44. Es ist verboten, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets zur Theil-
nahme an den Kriegsunternehmungen gegen ihr eigenes Land zu zwingen.
Art. 46. Es ist verboten, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets zu zwingen,
der feindlichen Macht den Treueid zu leisten.
Art.46. Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger, das
Privateigenthum, die religiösen Ueberzeugungen und die gottesdienstlichen Hand-
lungen sollen geachtet werden.
Das Privateigenthum darf nicht eingezogen werden
Art.47. Die Plünderung ist ausdrücklich verboten.
Art.48. Wenn die Kriegspartei in dem besetzten Gebiete die zu Gunsten
des Staates bestehenden Steuern, Zölle und Abgaben erhebt, so soll sie es mög-
lichst nach Massgabe der für ihre Erhebung und Vertheilung geltenden Vor-
schriften thun; es erwächst hiermit für sie die Verpflichtung, die Kosten der Ver-
waltung des besetzten Gebiets in dem Umfange zu tragen, wie die gesetzmässige
Regierung hierzu verpflichtet war.
Art.49. Wenn der Besetzende ausser den im vorstehenden Artikel erwähn-
ten Abgaben andere Auflagen in Geld in dem besetzten Gebiet erhebt, so darf
dies nur zur Deckung der Bedürfnisse des Heeres oder der Verwaltung dieses
Gebiets geschehen.
Art.50. Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze Bevöl-
kerung wegen der Handlungen Einzelner verhängt werden, für welche die Ge-
sammtheit nicht als verantwortlich angesehen werden kann.