II. Konvention (Landkrieg) vom 29. Juli 1899. 447
Art.5l. Zwangsauflagen können nur auf Grund eines schriftlichen Be-
fehls und unter Verantwortlichkeit eines selbständig kommandirenden Generals
erhoben werden.
Die Erhebung soll so viel wie möglich unter Beobachtung der für die Fest-
setzung und Vertheilung der Steuern geltenden Vorschriften erfolgen.
Ueber jede Zwangsleistung erhalten die Beitragspflichtigen eine Empfangs-
bescheinigung.
Art.52. Naturalleistungen und Dienstleistungen können von Gemeinden
oder Einwohnern nur für die Bedürfnisse des Besetzungsheers gefordert werden.
Sie müssen im Verhältnisse zu den Hülfsquelleun des Landes stehen und dürfen
für die Bevölkerung nicht die Verpflichtung enthalten, an Kriegsunternehmungen
gegen ihr Vaterland Theil zu nehmen.
Derartige Natural- und Dienstleistungen können nur mit der Ermächtigung
des Befehlshabers der besetzten Gebiete vorgenommen werden.
Naturalleistungen sind so viel wie möglich baar zu bezahlen; anderenfalls
sind dafür Empfangsbescheinigungen auszustellen.
Art.53. Das Besetzungsheer kann nur mit Beschlag belegen: das Baar-
geld und die Werthbestände des Staates sowie die dem Staate zustehenden ein-
treibbaren Forderungen, die Waffenniederlagen, Beförderungsmittel, Vorraths-
häuser und Lebensmittelvorräthe sowie überhaupt alles dem Staate gehörende
bewegli che Eigenthum, das geeignet erscheint, den Kriegsunternehmungen zu
enen.
Das Eisenbahnmaterigl, die Landtelegraphen, die Fernsprechanlagen, die
Dampfschiffe und andere Fahrzeuge — soweit hier nicht die Vorschriften des -«
Seerechts platzgreifen — die Waffenniederlagen und überhaupt jede Art Kriegs-
munition, auch dann, 'wenn all dies Gesellschaften oder Privatpersonen gehört,
sind ebenfalls ihrer Natur nach Mittel, die den Kriegsunternehmungen dienen;
sie müssen aber wieder zurückerstattet werden. Die Entschädigungefrage wird
bei Abschluss des Friedens geregelt.
Art.54. Das Eisenbahnmaterial, das aus neutralen Staaten kommt, sei es
dass es diesen selbst oder Gesellschaften oder Privatpersonen gehört, soll ihnen
sobald wie möglich zurückgesandt werden.
Art.55. Der Staat, von dem die Besetzung ausgeht, betrachtet sich nur
als Verwalter und Nutzniesser der öffentlichen Gebäude, Liegenschaften, Wälder
und landwirtschaftlichen Anlagen, die dem feindlichen Staate gehören und in
dem besetzten Gebiete liegen. Er ist verpflichtet, den Grundstock dieser Güter
zu schützen und sie nach den Regeln des Niessbrauchs zu verwalten.
Art.56. Das Eigenthum der Gemeinden und der dem Gottesdienste, der
Wohlthätigkeit, dem Unterrichte, der Kunst und Wissenschaft gewidmeten An-
stalten, auch wenn diere dem Staate gehören, ist als Privateigenthum zu behandeln.
Jede absichtliche Entfernung, Zerstörung oder Beschädigung von derartigen
Gebäuden, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und
Wissenschaft ist verboten und muss geahndet werden.
Vierter Abschnitt. Bei Neutralen festgehaltene Kriegführende und in
Pflege befindliche Verwundete.
Art. 57. Der neutrale Staat, auf dessen Gebiet Truppen der kriegführenden
Heere übertreten, mues sie möglichst: weit vom Kri chauplatz unterbringen.
Er kann sie in Lagern verwahren und sie auch in Festungen oder in anderen
zu diesem Zwecke geeigneten Orten einschliessen.
Es hängt von seiner Entscheidung ab, ob Offiziere, die sich auf Ehrenwort
verpflichten, das neutrale Gebiet nicht ohne Erlaubniss zu verlassen, freigelassen
werden können.
Art. 58. In Ermangelung einer besonderen Vereinbarung hat der neutrale
Staat den der Festhaltung unterliegenden Personen Nahrung, Kleidung und die
durch die Menschlichkeit gebotenen Hülfsmittel zu gewähren.
Die duroh die Internirung verursachten Kosten sind nach dem Friedens-
schlusse zu ersetzen.