I. Abkommen (Erledigung internationaler Streitfälle). 455
entschlossen, mit allen ihren Kräften die friedliche Erledigung internationaler
Streitigkeiten zu tigen,
in Anerkennung der Solidarität, welche die Glieder der Gemeinschaft der zivi-
lisirten Nationen verbindet,
gewillt, die Herrschaft des Rechtes auszubreiten und das Gefühl der interns-
tionalen Gerechtigkeit zu stärken,
überzeugt, daß die dauernde Einrichtung einer allen zugänglichen Schieds-
gerichtebarkeit im Schoße der unabhängigen Mächte wirksam zu diesem Ergeb-
nis beitragen kann,
in Erwä der Vorteile einer allgemeinen .und regelmäßigen Einrichtung
des Schiedsverfahrens,
mit dem Erlauchten Urheber der Internationalen Friedenskonferenz der An-
sicht, daß es von Wichtigkeit ist, in einer internationalen Vereinbarung die Grund-
sätze der Billigkeit un und des Rechtes festzulegen, auf denen die Sicherheit der
Staaten und die Wohlfahrt der Völker beruhen,
von dem Wunsche erfüllt, zu diesem Zwecke größere Sicherheit für die prak-
tische Betätigung der Untersuchungskommissionen und der Schiedsgerichte zu
gewinnen und für Streitfragen, die ein abgekürztes Verfahren gestatten, die An-
rufung der Schiedssprechung zu erleichtern,
haben für nötig befunden, das von der Ersten Friedenskonferenz hergestellte
Werk zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle in gewissen Punkten zu
verbessern und zu ergänzen.
Die hohen vertragschließenden Teile haben beschlossen, zu diesem Ende ein
neues Abkommen zu treffen, und haben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Bezeichnung der Bevollmächtigten)
welche, nachdem sie ihre Vollmachten hinterlegt und diese in guter und ge-
höriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen
sind:
Erster Titel. Erhaltung des allgemeinen Friedens.
Art.1. Um in den Beziehungen zwischen den Staaten die Anrufung der
Gewalt soweit wie möglich zu verhüten, erklären sich. die Vertragsmächte ein-
verstanden, alle ihre Bemühungen aufwenden zu wollen, um die friedliche Er-
ledigung der internationalen Streitfragen zu sichern.
Zweiter Titel. Gute Dienste und Vermittelung.
Art.2. Die Vertragsmächte kommen überein, im Falle einer ernsten Mei-
nungsverschiedenheit oder eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die
guten Dienste oder die Vermittelung einer befreundeten Macht oder mehrerer
befreundeter Mächte anzurufen, soweit dies die Umstände gestatten werden.
- Art.3. Unabhängig hiervon halten die Vertragsmächte es für nützlich
und wünschenswert, daß eine Macht oder mehrere Mächte, die am Streite nicht
beteiligt sind, aus eigenem Antriebe den im Streite befindlichen Staaten ihre
guten ienste oder ihre Vermittelung anbieten, soweit sich die Umstände hierfür
eignen.
Das Recht, te Dienste oder Vermittelung anzubieten, steht den am Streite
nicht beteiligten "Stan taaten auch während des Ganges der Feindseligkeiten ' zu.
Die Ausübung dieses Rechtes kann niemals von einem der streitenden Teile
als unfreundliche Handlung angesehen werden.
Art.4. Die Aufgabe des Vermittlers besteht darin, die einander entgegen-
gesetzten Ansprüche auszugleichen und Verstimmungen zu beheben, die zwischen
den im Streite befindlichen Staaten etwa entstanden sind.
Art.5. Die Tätigkeit des Vermittlers hört auf, sobald, sei es durch einen
der streitenden Teile, sei es durch den Vermittler selbst festgestellt wird, daß
dio von diesem vorgeschlagenen Mittel der Verständigung nicht angenommen
werden
Art.6. Gute Dienste und Vermittelung, seien sie auf Anrufen der im Streite
befindlichen Teile eingetreten oder aus dem Antriebe der am Streite nicht be-
teiligten Mächte hervorgegangen, haben ausschießlich die Bedeutung eines Rates
und niemals verbindliche Kraft.